Auf Geschmack und Geruch kommt es an

Die Kunst liegt in der Herstellung: Das müssen Sie über Olivenöl wissen

Heidemarie Pütz, dpa

12.9.2022, 10:11 Uhr
Welches Olivenöl hat eine gute Qualität und welches nicht? Das lässt sich oft weder über das Etikett noch über den Preis erkennen. Wer ein paar Dinge beachtet, findet dennoch ein passendes Produkt für sich. 

© Christin Klose/dpa Welches Olivenöl hat eine gute Qualität und welches nicht? Das lässt sich oft weder über das Etikett noch über den Preis erkennen. Wer ein paar Dinge beachtet, findet dennoch ein passendes Produkt für sich. 

Conrad Bölicke etwa will Olivenöl aus der "Fettecke" holen. "Wir vergleichen die Gewinnung des Öls eher mit der Kunst des Winzers", sagt der Gründer der Olivenölkampagne arteFakt aus dem niedersächsischen Wilstedt. Für die Olivenölverkosterin und Buchautorin Michaela Bogner aus München war das Öl noch nie so gut wie heute. Beim Kauf fühlen sich viele jedoch überfordert.

Die Auswahl ist riesig und der Begriff "nativ extra" steht inflationär auf fast allen Flaschen. Woran soll man sich beim Einkauf also orientieren? Leider sei die Qualität weder am Etikett noch am Preis zu erkennen, sagen die Expertin und der Experte gleichermaßen. Top-Qualität lasse sich nur an Geruch und Geschmack erkennen.

Wissen und Übung gefragt

Qualität zu erkennen, bedarf Wissen und Übung. Dafür benötige man wie beim Wein eine ganze Reihe verlässlicher Informationen, bis hin zum einzelnen Erzeuger, den Lagen und Olivensorten, sagt Conrad Bölicke. Und man sollte Wichtiges über das Öl wissen. Für Einsteiger empfiehlt sich eine begleitete Verkostung, die Geruchs- und Geschmackssinn schärft. So lernt man, wie fehlerfreies, reintöniges Olivenöl riecht und schmeckt.

Bei ihren Online-Tastings weisen Jörn Gutowski von Try Foods aus Berlin oder Michaela Bogner zu Beginn darauf hin: Schlürfen ist erwünscht! Nach dem Riechen zieht man einen kleinen Schluck mit viel Sauerstoff in den Mund. Dabei entsteht ein schlürfendes, schmatzendes Geräusch. Beim Schlucken nicht erschrecken, wenn sich in Mund und Rachen Bitternoten und pfeffrige Schärfe ausbreiten.

Bei dem Fruchtöl geht es wie bei Wein um Aromatik. Gutes Olivenöl sollte pflanzliche grüne Noten von Gras über Wildkräuter bis Tomate haben und frisch schmecken. Alles, was nicht frisch und pflanzlich riecht, sind Fehlaromen. Bei extra nativen Ölen sind sie verboten.

Beim Verkosten entwickeln sich in Mundhöhle, Rachen und Hals Schärfe und Bitternoten von dezent und flüchtig bis kräftig und lang anhaltend. Abhängig ist dies von der Olivensorte, dem Anbaugebiet, dem Erntezeitpunkt und der Verarbeitungstechnik in den Mühlen.

Drei Bewertungskriterien

Profis bewerten die Intensität des Öls in den Kategorien Frucht, Bitterkeit und Schärfe. "Die Faustregel ist: Je höher der Gehalt an antioxidativ und entzündungshemmend wirkenden Polyphenolen im Olivenöl, desto schärfer und bitterer ist der Geschmack", sagt Bogner. Besonders für Einsteiger sind solch intensiv-fruchtige Olivenöle meist gewöhnungsbedürftig.

Sortenreine Olivenöle drücken am besten die Eigenschaften einer Olivensorte und ihrer gesamten natürlichen Umgebung aus. Manche Öle kommen auch als Blends auf dem Markt. Dafür werden meist Oliven verschiedener Sorten gleichzeitig geerntet und in der Ölmühle verarbeitet. Bogner: "Idealer ist es, erst sortenreine Öle zu produzieren, also den optimalen Erntezeitpunkt jeder einzelnen Olivensorte zu beachten, und dann einen Blend zu kreieren."

Hartnäckig hält sich die Mär, dass nur raffiniertes Olivenöl erhitzt werden darf. Das sei schlichtweg falsch, betonen die Fachleute unisono. Conrad Bölicke erklärt: Durch die hohe Hitzestabilität seiner einfach ungesättigten Fettsäuren kann man mit Olivenöl bedenkenlos kochen, braten, frittieren oder backen.

Und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein raffiniertes, natives oder extra natives Öl handelt. Der Rauchpunkt von Olivenöl liegt bei rund 210 Grad Celsius.

Dagegen sprechen jedoch der hohe Preis hochwertiger Olivenöle und der Verlust der feinen Aromen. Geschmack und Aroma dieser Tropfen kommen am besten zur Geltung, wenn sie erst kurz vor dem Anrichten einer Speise untergemischt oder darüber geträufelt werden. "Beim Erhitzen des Öls verflüchtigen sich die Aromen. Auch die Geschmackskomponenten scharf und bitter lassen nach", sagt Michaela Bogner.

Alleskönner in der Küche

Beim Kochen wählen Profis ihr Olivenöl passend zur Intensität des Gerichts. Ein intensiv fruchtiges Öl passt etwa zu Linsen- oder Bohneneintopf, gegrilltem Steak oder deftigen Schmorgerichten wie Soße Bolognese. Conrad Bölicke macht damit seinen griechischen Salat aus Feta, Tomaten, Paprika und Gurken an.

Mittelfruchtige Öle sind ein Muss bei Gegrilltem, sei es Fisch, Meeresfrüchte oder Gemüse. Mildfruchtige Tropfen dagegen erhöhen die Aromen und Geschmacksnoten von sanft gegartem Fisch oder Huhn und veredeln das Dressing für zarte Blattsalate.

Michaela Bogner nimmt die kräftigen Bitternoten intensiv-fruchtiger Olivenöle, um Süße oder Üppigkeit eines Gerichts auszubalancieren.

Toll funktionierten solche Öle über Vanilleeis, Basilikumsorbet oder stärkehaltigen Gerichten wie Favebohnen-Kartoffelpüree.

Die Berliner Kochbuchautorin Rose Marie Donhauser liebt "total simple Genüsse, die in ihrer Einfachheit bestechen". Sie tunkt Weiß- oder Fladenbrot in Olivenöl und taucht es anschließend üppig in eines ihrer Lieblingsgewürze: Zatar. Diese Gewürzmischung besteht aus wildem Thymian, Sumach, gerösteten Sesamsamen und Salz. Da sie gern Salat und Gemüse isst, aromatisiert sie Olivenöl mit Orangen- oder Zitronenzesten, Knoblauch und Rosmarin.

Ein weiterer Tipp: Apfel oder Birne in hauchdünne Scheiben hobeln, mit Olivenöl beträufeln, Parmesanflocken darüber streuen, mit Meersalz und Pfeffer würzen. Dazu schmecken Ciabatta und ein Glas Wein.

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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