Bleibt Wasser ein öffentliches Gut oder wird es zur Handelsware?
26.2.2013, 12:53 UhrWasser ist in vielen Regionen der Welt längst ein hart umkämpftes Gut. Wissenschaftler sagen voraus, dass der Zugang zu der lebenswichtigen Ressource in absehbarer Zeit ein Grund für Staaten sein wird, Kriege zu führen.
800 Millionen Menschen weltweit fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser, zwei Millionen davon leben in Europa. Eigentlich steht die Ressource Wasser unter besonderem Schutz der Weltgemeinschaft: Im Jahr 2010 haben die Vereinten Nationen (UNO) den Zugang zu sauberem Trinkwasser zum Menschenrecht erhoben. Doch nicht nur der UNO, auch privaten Unternehmen ist der Wert des Wassers längst bewusst.
Bolivien ist ein extremes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn der Preis für Wasser unkontrolliert steigt. Die damalige Regierung Hugo Banzers hatte die Versorgung mit der Ressource in private Hände gelegt – ein gemeinsames Unternehmen bolivianischer Firmen und der amerikanischen Marke Bechtel. In der Folge stiegen die Kosten langsam, aber sicher – bis sie noch einmal einen Sprung um 50 Prozent machten. Für die Ärmsten ging es dabei längst nicht mehr um ein Ärgernis. Ihr Kampf galt dem Ziel, nicht zu verdursten.
Deutsche Wasserversorgung weitgehend in öffentlicher Hand
Während Unternehmen in Ländern wie im damaligen Bolivien auch heute noch leichtes Spiel haben, in den Markt einzusteigen, bleibt ihnen der Zugang zu dem Gewinn versprechenden Geschäft in Ländern wie Deutschland bisher weitgehend verwehrt.
Hier liegt die Wasserversorgung überwiegend in öffentlicher Hand. Auch in der Region regeln Städte, Kommunen und Zweckverbände größtenteils den Fluss des Trinkwassers. Zwar beteiligen sich etwa N‐Ergie in Nürnberg oder E.ON in Fürth an der Versorgung, die Mehrheit an den Unternehmungen hält jedoch überall die öffentliche Verwaltung. Die Entscheidung, ob die Wasserversorgung öffentlich oder privat geregelt werden soll, treffen bisher Städte und Gemeinden.
In einem Richtlinienvorschlag zur Konzessionsvergabe schlägt die EU-Kommission nun allerdings vor, die Trinkwasserversorgung für den Wettbewerb privater Firmen zu öffnen. „Um bei der Anwendung der Konzessionsvergabevorschriften in den Bereichen der Wasserversorgung (…) eine wirkliche Marktöffnung (…) zu erreichen (…) sollte sichergestellt werden, dass die Gleichbehandlung von Vergabestellen im öffentlichen und im privaten Sektor nicht gefährdet wird“, heißt es versteckt in dem knapp hundert Seiten dicken Dokument, in dem es um die Vergabe öffentlicher Aufträge in vielen weiteren Bereichen geht.
Privatisierung soll Geld in klamme Kassen spülen
Der Verkauf der Wasserversorgung in private Hände werde laut EU‐Kommission Geld in klamme Krisenkassen spülen. Dementsprechend soll die Privatisierung in den von der Krise am härtesten betroffenen Ländern ihren Anfang nehmen. Etwa verlangt die Troika aus EU‐Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) von Griechenland, große Wasserwerke an Privatinvestoren abzugeben.
In Deutschland hat sich parteiübergreifend Widerstand gegen die Privatisierungspläne formiert. Der Nürnberger, der Schwabacher und der Fürther Stadtrat haben sich bereits einstimmig dafür ausgesprochen, die Verantwortung für die Wasserversorgung in öffentlicher Hand zu behalten. Auch eine Vielzahl regionaler Politiker und die Europaabgeordneten aus der Region formulieren ihren Unmut.
Breiter Widerstand in der Region
Die Fürther Bürger wehrten sich bereits in den Jahren 2004 bis 2006 erfolgreich gegen Pläne des Rathauses, die städtischen Entwässerungsanlagen zu verkaufen. Der Sprecher des damals gegründeten Wasserbündnisses fordert sogar von der Stadt, die an E.ON verkauften 19,9 Prozent wieder zurückzukaufen. „Wir müssen die Wassersparte der infra rekommunalisieren, nur so bleibt unser Fürther Trinkwasser vor dem Zugriff durch Konzerne wie Nestlé oder Veolia sicher“, sagt Bündnissprecher Peter Lefrank.
Die Kritiker fürchten, dass eine Privatisierung der Wasserversorgung die Preise unkontrolliert steigen lassen und gleichzeitig die Qualität verschlechtern würde. Denn private Unternehmen sind dem Gewinn, öffentliche Anbieter dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine Privatisierung würde, so Kritiker, vor allem die Armen treffen und die Lebensqualität der Bevölkerung senken. Ein Menschenrecht würde zur Handelsware.
Befürworter bestreiten, dass die Kommissionspläne Städte und Kommunen zu einer öffentlichen Ausschreibung zwingen würden. Es ginge lediglich darum, Vergabeprozesse europaweit zu vereinheitlichen und transparenter zu gestalten.
Mit Privatisierung droht Dammbruch
Wie geht es jetzt weiter mit dem EU‐Richtlinienvorschlag? Der Rat der Europäischen Union, in dem die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind, und das Europäische Parlament müssen ihr beide zustimmen, damit sie zur verbindlichen Regelung wird. Wenn die beiden EU‐Organe ihr zustimmen, müssen die Mitgliedsstaaten sie in Nationales Recht integrieren. Es besteht jedoch die Möglichkeit, den Text der Richtlinie zu ändern. Nach breitem, internationalen Protest hat der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier Kompromissbereitschaft signalisiert.
Die erste europäische Bürgerinitiative „right2water“ sammelt EU‐weit Namen von Gegnern der Richtlinie. Sie will erreichen, dass das Europäische Parlament sich mit ihren Einwänden zu der Richtlinie befassen muss. Bereits über eine Million Menschen unterstützen „right2water“ mit ihrem Namen. Bis November ist noch Zeit, sich dort einzutragen. Auch bei "Campact" können Gegner verschiedene Petitionen gegen die EU-Pläne unterzeichnen.
Die Bolivianer haben ihren „Wasserkrieg“ übrigens gewonnen. Auch wenn die Debatte in der Region wohl nie so verzweifelt geführt werden müsste wie in Bolivien: Auch hier könnte eine Öffnung der Wasserversorgung für privaten Wettbewerb einen Damm für derart negative Beispiele brechen.
24 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen