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Die Uhr tickt: Massenweise fränkischem Bier droht der Gully
NÜRNBERG
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Die Maß lebt von Geselligkeit - die soziale Distanz während der Corona-Pandemie ist ihr schleichender Tod. Weil immer mehr Gastronomen Fassbier, das seit November nicht getrunken wird an die Brauereien zurückgeben, droht Zehntausenden Litern der Gully. Auch in Franken. Besonders die kleinen Traditionsunternehmen fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Wer zahlt die Zeche?
Der März wird zum Schicksalsmonat für das fränkische Fassbier. Was etwas pathetisch klingt, ist für die Brauer bitterer Ernst. Seit drei Monaten sind Restaurants geschlossen, der Absatz ist eingebrochen, in den Gaststätten lagern Tausende Fässer, die mit jedem Tag an Geschmack verlieren. "Bier ist ein Naturprodukt, das frisch am besten ist", sagt Stefan Stang. Er ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes private Brauereien, der allein in Bayern Hunderte Betriebe vertritt. Spätestens im kommenden Monat sind mehrere Tausend Hektoliter reif für den Abfluss. "Es nicht sauer, nicht trüb, nicht verdorben", sagt Stang. Aber eben auch nicht mehr qualitativ hochwertig. Schlechtes Bier ist imageschädigend, gerade in Franken. "Wenn das meine Kneipe wäre, würde ich es austauschen."
Jedes drittes Bier in Bayern wird in Gaststätten und auf Volksfesten verkauft, schätzen Branchenverbände. Die Maß lebt von der Geselligkeit, die soziale Distanz ist ihr schleichender Tod. Besonders in Franken liefern viele Brauereien an die Kneipen und Restaurants in direkter Umgebung. "Je kleiner der Betrieb ist, desto größer ist der Gastro-Absatz", sagt Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes. Auch er rechnet damit, dass massenweise Bier vernichtet werden muss. "Wie viel das ist, lässt sich überhaupt nicht sagen." Stang vom Verband private Brauereien schätzt, dass mindestens jeder zweite Betrieb Liter um Liter wegkippen muss. Und mit jedem Tag Lockdown werden es mehr werden.
Überall in Bayern laufen Rettungsaktionen fürs Bier. Ein unterfränkischer Brauer spendierte im Sommer der Bundeswehr Tausende Liter, der Biergarten "Balkon" am Nürnberger Hauptbahnhof sucht im Internet Abnehmer für seine Kästen, die kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen. In Lenkersheim hat der örtliche Fußballverein eine Sammelbestellung für das ganze Dorf organisiert. Per Mail können Kästen von der Privatbrauerei Hofmann aus Pahres geordert werden, verteilt wird dann im Sportheim. Kollektives Trinken gegen die Krise. Doch die Brauereien sind skeptisch, dass die kleinen Aktionen das Problem lösen. Der Gully rückt näher.
"Die Frage ist, wer jetzt den Schaden ersetzt", sagt Ebbertz vom Brauerbund Bayern. "Der Staat hat den Betrieben jede Möglichkeit genommen, ihr Fassbier zu verkaufen." Doch bei den Hilfsprogrammen gehen die Familienunternehmen häufig leer aus. Die Überbrückungshilfe drei, die womöglich noch im Februar ausgezahlt werden soll, sieht etwa Erstattungen für Saisonartikel vor - aber eben nicht fürs Bier. "Der Textilhandel darf etwa seine Winterboots abschreiben, weil er sie nicht verkauft bekommt", sagt Ebbertz. "Nach dem Stand, den ich aus dem Wirtschaftsministerium gehört habe, gilt das für uns aber nicht." Gerade bei einem verderblichen Lebensmittel wie Bier stellt sich die Politik quer. Lediglich die Biersteuer wird erstattet - zumindest dann, wenn die Vernichtung unter Aufsicht des Zolls stattfindet.
"Bier ist ein emotionales Produkt"
Die weit über 1000 Brauereien in Deutschland fühlen sich im Stich gelassen. Seit Anfang November stehen die Fässer in den Restaurants und Gaststätten der Republik. Im Süden Bayerns etwa kauften Hütten größere Mengen ein, um sich auf durstige Wanderer und Skiläufer vorzubereiten. Zumindest im Winter hofften viele auf Absatz.
"Dass den Brauern jetzt die Entschädigung verweigert wird, ist schon ein starkes Stück", sagt Ebbertz. "Das sind Werte, die vernichtet werden." Aber eben nicht nur. Die Brauer, so der Branchenvertreter, arbeiten mit Liebe, Sorgfalt, Herzblut. "Bier ist ein ausgesprochen emotionales Produkt, vielleicht das emotionalste. Wenn man dann sieht, dass das alles für die Katz war, dann tut das weh."
Franken ist die Heimat des Bieres. Kein Wunder, denn die Region wartet mit der höchsten Brauereidichte Europas auf. Rund 300 Brauereien in Mittel-, Ober- und Unterfranken schaffen eine einzigartige Biervielfalt.
Alle Neuigkeiten und Wissenswertes zum fränkischen Bier finden Sie auch in der Facebook-Gruppe Wir lieben Bier aus Franken. In unserem Brauerei-Guide können Sie herausfinden, wer Ihre Lieblings-Biersorte ausschenkt.