"Du hast 1 Stimme": Die U18-Wahl in Bayern
5.10.2018, 18:09 UhrMorgens um halb zehn vor der Mauthalle in Nürnberg: Eine lange Schlange wartet darauf, in die Geschäftsstelle der Nürnberger Nachrichten hineingelassen zu werden. Gibt es da was umsonst? Na ja, einen Stift mit Zeitungslogo darf man schon mitnehmen. Doch deshalb sind die Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren nicht hier.
Sie stehen an, um ihre Stimme abzugeben. Für eine "echte" Wahl wie die bayerische Landtagswahl am 14. Oktober sind sie noch zu jung. Doch bei der U18-Wahl dürfen auch sie ihr Kreuzchen auf einem Stimmzettel machen. "Du hast 1 Stimme", steht darauf (anders als bei der Landtagswahl gibt es hier keine Erststimme für einen Direktkandidaten).
Zwischen 15 Parteien können die Schüler sich entscheiden: von der aktuellen Regierungspartei CSU bis zur V-Partei3 ("Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer"). Für viele Jugendlichen ist es die erste Wahl. Aufgeregt seien sie aber nicht, sagen ein paar Zehntklässler der Nürnberger Thusnelda-Mittelschule. Die Stimmen zählten ja eh nicht richtig, meint Ardoan (15). Interessant findet er vor allem, wie das Wahllokal innen aussieht und wie das mit der Urne und dem Zettel funktioniert.
Immer vier Schüler dürfen gleichzeitig in die Mauthalle, jeder kreuzt hinter einer Trennwand eine Partei an, faltet den Wahlzettel und wirft ihn ein – unter der Aufsicht der Wahlhelfer. Die Jugendlichen sollen sehen, wie so eine Wahl abläuft, erklärt Geschäftsstellenleiterin Melanie Gierse. Bislang verhielten sich die Teenager jedenfalls "sehr gesittet", lobt Mitarbeiterin Elke Sellner. Die Schüler wissen auch, dass ihre Wahl geheim ist – Fremden würden sie nicht sagen, wen sie wählen, meint Nicole (16) von der Thusnelda-Schule.
Gegenseitig tauschen sie sich aber natürlich darüber aus. Ob sie zu Hause über Politik sprechen? Nur manchmal, sagt Hassan (17). Und dann nicht unbedingt über deutsche Themen, sondern zum Beispiel über Donald Trump. Zur Vorbereitung auf die Bayern-Wahl haben viele im Internet den Wahl-O-Mat genutzt und ihre Meinung mit der Position der Parteien verglichen.
Da sei auch viel diskutiert worden, wenn Schüler plötzlich Gemeinsamkeiten mit einer Partei feststellten, mit der sie eigentlich wenig anfangen können, erzählen die Lehrerinnen Ute Schulz und Johanna Zellner von der Paul-Ritter-Schule. Dadurch sei bei manchen das Interesse an Politik erwacht.
Wenig Wissen über Parteien
Allerdings wüssten viele ihrer Schüler nur ganz wenig darüber, was die Parteien wollen, so ihre Kolleginnen Stefanie Getrost und Susanne Aurich. Einfache Antworten und Schlagworte, die selbst viele Erwachsene gut finden, ziehen auch bei Schülern. Da komme es dann vor, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund die AfD unterstützen. Die großen, alten Parteien seien vielen Schülern hingegen zu schwammig, nicht greifbar genug, sagen die Lehrkräfte. Am Nürnberger Pirckheimer-Gymnasium (PGN) traue sich aber fast kein Schüler offen zu sagen, wenn er die AfD gut findet, glaubt Eva-Maria Schäfer.
Auch hier haben laut der Lehrerin mindestens 50 Prozent der Jugendlichen einen Migrationshintergrund. Am Ende bekommt die Rechtsaußen-Partei 1,7 Prozent der PGN-Stimmen. Die Beteiligung an der U18-Wahl sei sehr hoch gewesen, eine Klasse stellte die Wahlhelfer, eine 10. Klasse hatte zuvor Plakate zu den Parteiprogrammen gemacht und allen Mitschülern erklärt, wie die Wahl funktioniert.
Schäfers Eindruck: Durch das Erstarken der AfD ist das politische Interesse der Jugendlichen größer geworden. Doch wenn zu Hause einfache Botschaften verbreitet würden, färbe das auch auf manche Schüler ab. Außerdem spielt eine Rolle, wie oft bestimmte Politiker in den Medien vorkommen, meint Andreas Fröber, Lehrer an der Jean-Paul-Schule. Seine Schüler kennen Angela Merkel (oder heißt die Kanzlerin doch Angelika? – laut den Lehrkräften ist das längst nicht allen Schülern klar). Und vielleicht noch Markus Söder.
Für welche Politik sie stehen? Keine Ahnung. So sagen dann auch einige von Fröbers Neuntklässlern vor der Mauthalle, sie würden Merkel wählen – obwohl das in Bayern gar nicht geht, wie ihr Lehrer sie erinnert. Denn die CDU und ihre Chefin treten hier nicht an. Dann eben Söder! AfD komme für sie "auf keinen Fall" infrage, sagen die Jungs, deren Familien ebenfalls eine Migrationsgeschichte haben. Die AfD sei "nicht gut", finden sie. Und: "Jeder Mensch soll eine gerechte Chance haben."
Hier sind die Ergebnisse der U18-Wahl 2018.
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