Nach Stiko-Empfehlung 

Nachlassende Nachfrage bei den Erstimpfungen in Erlangen und ERH

Eva Kettler

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6.7.2021, 06:00 Uhr
Die große Nachfrage beim Impfen in Deutschland lässt derzeit nach.

© Foto: Harald Sippel Die große Nachfrage beim Impfen in Deutschland lässt derzeit nach.

Dass jemand unbedingt Astrazeneca für die Zweitimpfung haben möchte, erlebt Peter Eggenwirth, Vorstand des Vereins Hausärzte Erlangen und Umgebung, in seiner Hausarztpraxis nicht. Möglich wäre es, den zweiten Piks ebenfalls mit dem Vektorimpfstoff zu bekommen, da die Stiko lediglich eine Empfehlung für die Kreuzimpfungen - also erst Vektorimpfstoff wie Astrazeneca und dann mRNA-Impfstoff wie Biontech oder Moderna - ausgesprochen hat. Aber kaum jemand will das.

"Die Leute sind erleichtert, dass sie jetzt Biontech kriegen", so Eggenwirth, es mache sich bemerkbar, dass dies der Impfstoff mit dem besseren Ruf sei. Ärgerlich ist aus seiner Sicht allerdings, dass man in der Gemeinschaftspraxis in Büchenbach noch vor zwei Tagen einigen Über-6o-Jährigen auf ihre Nachfrage, ob die Zweitimpfung mit Biontech möglich sei, diesen Wunsch abgeschlagen habe. Doch die neue Stiko-Empfehlung hat nun alles umgekrempelt.

"Nicht mehr der große Run"

Noch etwas ist anders seit dieser Woche. Die Hausärzte dürfen jetzt unbegrenzt Impfstoff bestellen. Bisher erhielten sie jede Woche bereits vorab die Information, wie viel Impfstoff bestellt werden kann. Zwar wissen die Allgemeinärzte auch jetzt noch nicht, wie viel Impfstoff sie letztlich bekommen werden. Aber es ist davon auszugehen, dass er ausreichen wird. Denn: "Wir haben nicht mehr den großen Run", beobachtet Peter Eggenwirth. Die Nachfrage beim Impfen breche gerade "etwas zusammen".

38,9 Prozent der Gesamtbevölkerung sind in Deutschland inzwischen vollständig geimpft, 56,5 Prozent haben mindestens eine Impfdosis erhalten (Stand: 4.7.2021). Nachdem es anfangs gedauert hat, bis das Impfen in Gang kam, weil der Impfstoff fehlte, klappen inzwischen die Impfstoff-Lieferungen. Doch nun erlahmt die Nachfrage in der Bevölkerung - diese Entwicklung zeichnet sich bereits seit einer Woche ab.

Schlagartiger Rückgang der Nachfrage

Das ist auch die Beobachtung, die man beim Impfzentrum Erlangen/Erlangen-Höchstadt macht. "Wir beobachten in der Tat einen schlagartigen Rückgang der Nachfrage nach Impfterminen, egal mit welchen Impfstoffen", heißt es auf Nachfrage der Erlanger Nachrichten. Das war auch am Sonntag bei einer Sonderaktion des Impfzentrums der Fall, bei der sich alle Altersgruppen mit Astrazeneca impfen lassen konnten.

Für die anstehenden Zweitimpfungen ist derzeit ausreichend mRNA-Impfstoff im Impfzentrum ER/ERH vorhanden. Dies reduziert zwar vorübergehend das Angebot an Erstimpfterminen. Doch das sei angesichts der sinkenden Nachfrage zu verschmerzen, teilt das Impfzentrum über die Pressestelle der Stadt Erlangen mit.

Zweite Spritze mit mRNA-Impfstoff

Das Impfzentrum Erlangen/Erlangen-Höchstadt folgte sofort der neuen Stiko-Empfehlung. Alle Personen, egal welchen Alters, die eine Erstimpfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca erhalten haben, bekommen ihre zweite Spritze ab sofort mit einem mRNA-Impfstoff, also den Vakzinen von BioNTech/Pfizer oder Moderna.

Doch wie sieht es aus mit dem zeitlichen Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung? Laut Stiko soll er bei Astrazeneca neun bis zwölf Wochen betragen, bei der Kombination aus Astrazeneca und mRNA-Impfstoff kann der Zeitraum verkürzt werden auf "ab vier Wochen".

Großer Organisationsaufwand

Die Hausärzte bekommen demzufolge nun auch Anfragen ihrer Patienten, ob die Zweitimpfung jetzt früher erfolgen kann. "Wir versuchen, flexibel zu sein", sagt Eggenwirth. Klar ist: Es wird zunächst noch komplexer als bisher, die Impftermine zu koordinieren. Der ohnehin große Organisationsaufwand wird noch größer.

Im Impfzentrum stehen in dieser Woche noch rund 3500 Zweitimpfungen nach der Astrazeneca-Erstimpfung an, die an den bereits vereinbarten Terminen jetzt aber mit BioNTech beziehungsweise Moderna realisiert werden. Danach sind aktuell keine regelhaften Zweitimpfungen nach AstraZeneca-Erstimpfung mehr im Plan, da vor zwölf Wochen der Stopp von AstraZeneca-Erstimpfungen in den bayerischen Impfzentren erfolgte. Insofern ist im Impfzentrum keine größere Terminumplanung erforderlich. Eine geringe Anzahl an Personen, die noch einen späteren Zweitimpftermin haben, wird vom Impfzentrum telefonisch kontaktiert.

Ob es hinsichtlich der besonders guten Wirksamkeit der heterologen Impfung mit AstraZeneca und anschließend BioNTech oder Moderna Sinn macht, noch einmal Termine mit dieser Kombination anzubieten, wird derzeit in den mittelfränkischen Impfzentren geprüft.

Täglich Aufklärungsgespräche mit Patienten

Jetzt geht es den Ärzten aber - insbesondere angesichts der Delta-Variante - vor allem darum, gegen die Impfmüdigkeit in der Bevölkerung anzugehen. "Da sehe ich eine wesentliche Aufgabe von uns Hausärzten", sagt Peter Eggenwirth. Er führe täglich Aufklärungsgespräche mit seinen Patienten, auch wenn sie wegen anderer Anliegen zu ihm kommen. Nur mit Impfaufklärung könne man jetzt etwas erreichen, und gerade zu ihren Hausärzten hätten die Patienten Vertrauen.

Nur rund 200 Impfdosen des Impfstoffs von AstraZeneca musste Julia Ruß vom ASB im Impfzentrum Erlangen aufziehen. Das Interesse am ersten Sonderimpftag hielt sich in Grenzen.

Nur rund 200 Impfdosen des Impfstoffs von AstraZeneca musste Julia Ruß vom ASB im Impfzentrum Erlangen aufziehen. Das Interesse am ersten Sonderimpftag hielt sich in Grenzen. © Klaus-Dieter Schreiter, NN

Ortswechsel: Tina Sperling hat in der Nacht auf Samstag kaum geschlafen. Direkt nach der neuen Empfehlung der Stiko haben sich bei ihr die Anfragen überschlagen. Sie hat Termine verschoben, nachtelefoniert, umorganisiert. Insgesamt hat die Ärztin in ihrer Praxis in Röttenbach schon mehr als 1000 Impfdosen verabreicht und dabei immer versucht, so zu planen, dass sie weder Termine absagen noch Impfstoff wegkippen muss. Das hat bislang auch gut geklappt, aber die neue Empfehlung wird wohl dafür sorgen, dass Astra Zeneca übrig bleibt. Sie wünscht sich eine eine Möglichkeit, den Stoff zurückzugeben, so dass er doch noch Verwendung findet. Zwar richten sich nicht alle Patienten nach der Stiko – die meisten aber schon. Anfragen für Erstimpfungen kommen nur noch sehr vereinzelt. Nach mehrstündigem Aufwand ist es Tina Sperling und ihrem Team jetzt gelungen, die meisten Termine für die zweite Spritze umzuorganisieren. „Man muss sich das mal vorstellen“, sagt Tina Sperling, „es sind ungefähr 15 Minuten Organisationsaufwand für maximal fünf Minuten Impfung.“

Seit dem Wochenende sind die Wartelisten des Impfzentrums im bayernweiten Terminvergabeportal leer. Parallel dazu wurde die Priorisierung in den bayerischen Impfzentren aufgehoben. Wer sich jetzt registriert, erhält innerhalb weniger Tage einen Impftermin. Das Impfzentrum bietet außerdem sogenannte „Hop-On-Listen“ an, mit denen abends der Verwurf von übrigem Impfstoff vermieden wird. Wer spontan dazu bereit ist, sich abends per Telefon zur Impfung rufen zu lassen, kann am gleichen Tag bis 14 Uhr bei der Hotline (09131) 86-65 00 anrufen und sich entsprechend vormerken lassen.

Appell von Oberbürgermeister Janik

Oberbürgermeister Florian Janik appelliert an die Bürgerinnen und Bürger: „Aufgrund unseres leistungsfähigen Impfzentrums und der insgesamt guten medizinischen Versorgung können die Stadt Erlangen und der Landkreis Erlangen-Höchstadt mit über 58 Prozent eine überdurchschnittliche Erstimpfquote und mit 43 Prozent eine sehr gute Quote an vollständig geschützten Bürgerinnen und Bürgern aufweisen. Daher sind wir mit dem Impffortschritt bei uns sehr zufrieden. Allerdings reicht die Quote noch lange nicht aus, eine vierte Welle mit der Delta-Variante des Virus zu verhindern. Nur die zweifache Impfung schützt den Einzelnen vor schwerer Erkrankung und die Gesellschaft vor erneuten Beschränkungen des öffentlichen Lebens“.