Olympia-Aus bewegt auch Forchheimer Karate-Ass
25.3.2020, 13:14 UhrAuch fast 30 Jahre nach dem Ende ihrer aktiven Zeit erinnert sich Silvia Schnabel, die unter ihrem Mädchennamen Wiegärtner in den 80ern zur erfolgreichsten Karate-Sportlerin Deutschlands avancierte, besonders gerne an die internationalen Auftritte zurück. "Das war schon sehr emotional, wenn du auf dem Podest standest und die Nationalhymne gehört hast", erklärte die Forchheimerin dereinst. Im Heimatverein lebt sie den Spitzentalenten als Übungsleiterin noch immer vor, was es benötigt, um sich auf ambitioniertem Niveau durchzusetzen. Wiewohl der ein oder andere Schützling bereits bei Deutschen Meisterschaften für Aufsehen sorgt, trägt die berufliche Tätigkeit als selbstständige Physiotherapeutin entscheidend dazu bei, dass Schnabel inzwischen wieder auf ganz großer Bühne mitmischt.
Im Betreuerstab des Deutschen Karateverband begleitete Schnabel die Junioren-Nationalmannschaft im vergangenen Herbst zur WM nach Chile und brachte sich so ins Gespräch für die Besetzung des Funktionsteams bei den Olympischen Spielen in Tokio, die erstmals überhaupt Karate im Programm gehabt hätten. Nachdem die Forchheimerin zwar nicht ins Aufgebot des Verbands berufen worden wäre, trifft sie die am Dienstag verkündete Absage dennoch persönlich. "Ich wollte unbedingt als Fan dabei sein und hatte die Reise mit meinem Mann längst gebucht." Mehr als die eigenen Befindlichkeiten habe sie in den vergangenen Tagen jedoch die trübe Stimmung im Umfeld der Nationalmannschaft gekümmert. Die sei zwischen Anspannung und heller Aufregung gependelt.
Bei allem Verständnis für die wirtschaftlichen Interessen der olympischen Organisation sei die Entscheidung "notwendig hoch drei" gewesen, die Hinhalte-Taktik von IOC-Präsident Thomas Bach "fand ich unmöglich". Vor dem Hintergrund der jüngsten Corona-Pandemie "wäre ich selbst niemals nach Japan geflogen. Geld ist nicht alles", betont Schnabel, die ihre Praxis zu Hause in Forchheim bereits schließen musste. Das riesige Zusammentreffen auf engem Raum, den Schnabel von vier Tokio-Besuchen gut kennt, hätte im schlimmsten Fall die Verbreitung des Virus in bisher verschonte Regionen wie Afrika zum Preis.
"Zur Not ein Jahr drangehängt"
Neben dem gesundheitlichen Aspekt gebe es ja auch die gravierenden sportlichen Argumente. Nicht nur, dass manche Qualifikationswettkämpfe noch ausstünden sowie sämtliche Lehrgänge ausfallen, so könne im Kampfsport eben derzeit kaum alleine ohne Kontakt trainiert werden und die sonst penibel austarierte Steuerung des Körpergewichts sei ebenfalls beeinträchtigt. "Auch wenn Einzelne um ihren Karriere-Traum fürchten", sagt Schnabel, stehe die Karate-Familie mehrheitlich hinter einer Verschiebung auf 2021. Während die Topkräfte heute wohl weiter auf ihre Sportförderung zählen können, betrieb sie damals den Aufwand komplett auf eigene Rechnung. Mit bereits über 30 Jahren, einer Vollzeit-Stelle und einem Kinderwunsch im Kopf, krönte die Forchheimerin ihre Laufbahn 1992 mit WM-Bronze und EM-Titel. "Für diese Erlebnisse hätte ich wohl zur Not wahrscheinlich ein Jahr drangehängt."