Der zweite Schlag: Gedrückte Stimmung bei Fürths Wirten

Luisa Degenhardt

E-Mail zur Autorenseite

23.4.2020, 06:00 Uhr
Der zweite Schlag: Gedrückte Stimmung bei Fürths Wirten

© Foto: Henning Kaiser/dpa

Paul Reubel versteht nicht, warum Wirte ihre Betriebe nicht öffnen dürfen. "Man muss Abstände wahren und die Sitzplätze ausdünnen, dann kriegt man das schon hin", findet der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Sein Verband prophezeit dem Gewerbe eine düstere Zukunft: Rund 70.000 Hotel- und Gastronomie-Firmen in Deutschland stehen demnach vor der Insolvenz.


Nürnberger Gastronomie: Mit Boxen und Takeaway durch die Krise


Von Schließungen in der Stadt Fürth und im Landkreis hat Reubel bisher noch nichts gehört. Doch ein Dauerthema ist die Angst vor der Pleite in diesen Tagen trotzdem. Und die Unsicherheit, ergänzt Maike Müller-Klier, Leiterin der Fürther IHK-Geschäftsstelle. "Es fehlt die Perspektive." Die Verdienstausfälle seien enorm. "Das Schnitzel, das heute nicht gegessen wird, wird morgen nicht doppelt gegessen", sagt sie.

Die Gastronomie sei generell eine anfällige Branche. Denn viele eröffnen, weiß die IHK-Vertreterin aus Erfahrung, ein Unternehmen ohne ausreichende fachliche Grundlagen. In der Krise nun sei es gerade für Gastronomen, die die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen, schwierig, den Papierkram zu bewältigen. Eine Maskenpflicht – ab Montag gilt sie beim Einkaufen und im ÖPNV – könnte zusätzliche Probleme bereiten. Kaum vereinbar scheint sie mit Gästen, die zum Essen und Trinken kommen. In Österreich ist sie fürs Servicepersonal angedacht – schon sorgen sich manche, dass man ohne ein Lächeln weniger verkauft.

Gewinne mit Getränken fallen weg

Müller-Klier ahnt: "Wir werden sicher mit Verzögerung viele Betriebsschließungen haben." Um dieses Schicksal abzuwenden, werden Wirte kreativ. Manche stellen vorausschauend Plexiglaswände zwischen den Tischen auf. Viele bieten einen Liefer- oder Abholservice an. Das sei, so Müller-Klier, "ganz nett" und halte die Wirte ein Stück weit über Wasser. Doch ein großer Teil des Gewinns steckt im Verkauf von Getränken.

Das bestätigt auch Marco Graeser, Betreiber des Boca und der Kaffeebohne. Auf die Frage nach der momentanen Stimmung antwortet er geradeheraus: "Finanziell beschissen, fürs Personal beschissen und für uns beschissen." Die Zeit der Schließung nutzt er für Reparaturen in der "Kaffeebohne", zu denen er sonst nicht kommt, weil die Kneipe 365 Tage im Jahr geöffnet ist.


Viele spenden auf Startnext: Die Crowd will Kneipen retten


Im Boca, das Graeser mit Jens Schmidt betreibt, gibt es über Lieferando einen Lieferservice. Das Problem: Der Anbieter verlangt ordentlich Gebühren dafür, dass die Restaurants ihre Speisen auf der Plattform einstellen dürfen. "Klar schafft man es irgendwie, über das To-Go-Geschäft einigermaßen Umsätze zu bekommen, aber es hängt sehr viel in der Luft", sagt Graeser.

Wenn die Reparaturen abgeschlossen sind, will er in der Kaffeebohne ab Freitag Essen zum Mitnehmen anbieten, vielleicht im Innenstadtgebiet auch Speisen liefern – das müsse man ausprobieren.

Auch Jörg Träger, Leiter des Bereichs Gastronomie bei der Tucher-Brauerei, macht zurzeit die Erfahrung, dass sich kleine Betriebe mit Lieferservice und To-Go-Essen behelfen. Und auch ihm ist klar: Die "Getränkeumsätze fehlen dem Wirt in der Kasse". Wo aber keine Getränke mehr über die Theke gehen, da bleiben auch die Nachbestellungen bei Tucher aus. Das Unternehmen beliefert 2500 Gastronomiebetriebe, "momentan wird da nichts verkauft". Was der Brauerei bleibt, ist das Geschäft mit Abholmärkten und dem Einzelhandel.

Tucher bemüht sich, geringere Mieten auszuhandeln

Tucher ist Zwischenmieter von elf Objekten in Fürth, darunter Stadthalle, Terrazza und Pfeifndurla. Zum Wohl der Wirte versuche man, so Träger, mit den Hauseigentümern geringere Mieten auszuhandeln. Einige ziehen mit, andere nicht. Träger bedauert das, denn: Die Corona-Krise sei nur gemeinsam zu überstehen.

Damit weniger Betriebe schließen müssen, fordert der Dehoga unter anderem eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf sieben Prozent. Träger hält das für "lange überfällig". Auch Reubel findet den Vorstoß gut.

Maike Müller-Klier wartet indes auf neue Informationen, die es Ende April geben soll. Dann, hofft sie, werde verkündet, wann die Gastronomie endlich wieder öffnen darf.

Verwandte Themen


4 Kommentare