Kofferfabrik: Wie tief sitzt der Schock?

2.3.2021, 06:00 Uhr
Kofferfabrik: Wie tief sitzt der Schock?

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Fassungslosigkeit, Empörung, Unverständnis: Auf 180 sind die sozialen Medien und die demokratischen Parteien im Stadtrat nach der Nachricht vom drohenden Aus der Kofferfabrik. Für den Erhalt des Kulturzentrums in der Langen Straße und gegen den Verkauf durch den Eigentümer, der den Mietvertrag zum 30. September 2021 gekündigt hat, wendet sich eine überwältigende Mehrheit. Derweil erlischt ein erster Hoffnungsschimmer.


Kofferfabrik-Kündigung: Charme lässt sich nicht umtopfen


"Das kommt für uns nicht infrage", sagt ohne Umschweife Isabel Fürsattel, Geschäftsführerin von MIP Immobilien. Unter der Federführung des Fürther Unternehmens wird gerade der Hauptbahnhof saniert, andere Großprojekte waren zuletzt die Humbser-Brauerei in der Schwabacher und der "Grüne Baum" in der Gustavstraße. Arbeitsschwerpunkt von MIP: angejahrte Bausubstanz wieder fit machen.

"Die Kofferfabrik", so Fürsattel, "ist definitiv kein Thema. Mit unseren laufenden Projekten sind wir bereits gut beschäftigt." Zwischen den Zeilen klingt an: Bei der Kofferfabrik liegt baulich einiges im Argen - was keine Neuigkeit ist, aber offenbar auch Vollprofis im Sanierungsgeschäft zurückzucken lässt. Die Suche nach jenem potenten Investor, der, ginge es nach Kulturreferentin Elisabeth Reichert, willens wäre, das Gebäude zu übernehmen, zu sanieren und weiterhin der kulturellen Nutzung zu überlassen, dürfte jedenfalls schwierig werden.

Umzug ist "Blödsinn"

Wie berichtet, hat der Eigentümer der Kofferfabrik, die Nürnberger Lauer Immobilien-Service GmbH, den Mietvertrag gekündigt; Lauer ist spezialisiert auf die Umstrukturierung alter Fabrikgebäude zu Lofts für Gewerbe und Wohnen.

"Ich bin völlig geschockt", sagt Grünen-Fraktionschef Kamran Salimi. Die Stadt sei dabei, sehenden Auges ein weiteres Stück Soziokultur aus der Hand zu geben,"während man schon den Protestgarten und Fürth-Ort am langen Arm verhungern lässt". Reicherts Idee, auch über einen alternativen Standort nachzudenken, hält er für "Blödsinn". "Wir schaffen es ja nicht einmal, zehn Open-Air-Konzerte auf der Freilichtbühne zu organisieren, ohne gleich mit Anliegern Ärger zu kriegen. Wo soll denn dann ein alternativer Standort herkommen?"

Perspektive geht vor Sanierung

Die einzige Chance liege im Erhalt der Kofferfabrik, doch die Suche nach dem Retter in der Not sei zermürbend. "Offenbar sind wir die erste Großstadt in Deutschland, die durch Grundstückskäufe völlig zu verarmen scheint."

Ein Kauf der Immobilie müsse auch nicht automatisch mit einer "supergründlichen energetischen Sanierung" verbunden sein - wichtiger sei jetzt die Überlebensgarantie für die Kulturstätte. Salimi: "Wir wollen keine vollständige Sanierung, sondern eine Perspektive." Den Erhalt der baulichen Anlage fordern denn auch die Grünen in ihrem "dringlichen Antrag" zur Sitzung des Kulturausschusses am Donnerstag.

Ihren Antrag reicht die CSU am heutigen Dienstag ein. Forderung auch hier: Erhalt der Kofferfabrik. "Wir sind alle vor den Kopf gestoßen", sagt Fraktionschef Maximilian Ammon. Der OB müsse das Thema zur Chefsache machen. "Wir wollen Kulturstadt sein, daher darf die Kofferfabrik nicht aus der Kulturszene verschwinden." Ammon selbst ist regelmäßiger "Koffer"-Gast, "sie ist überhaupt nicht linksversifft, wie ihr das einige Unwissende unterstellen, sondern ein Ort für alle, vom Poncho- bis zum Schlipsträger". Es brauche nun den "Retter mit einem großen Herz für die Szene", jedoch keinen Umzug an einen anderen Ort.

"Baustein der Subkultur"

"Sie ist der zentrale Baustein der Subkultur der Stadt", schreibt die Stadtratsgruppe der Linken über die Kofferfabrik in ihrem Antrag zur Ausschusssitzung. Sie fordert, dass die Kommune sich für den Erhalt einsetzt und den Eigentümer bittet, seine Kündigung zurückzunehmen – ein Ziel, das auch die größte Fraktion im Rat, die der SPD, verfolgt. Der Zeitgewinn infolge von Gesprächen mit Lauer müsse dazu genutzt werden, "konzeptionell alternative Szenarien für ein weiteres Fortbestehen der Kofferfabrik zu entwerfen".

Stand der Dinge, kurz gefasst: viel Redebedarf und noch lange kein Licht am Ende des Tunnels.

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