Schnellere Abschiebehaft: Fürther OB erntet Kritik
10.12.2018, 06:00 UhrJungs Ruf nach einer Verschärfung der Regelungen stoße beim Bündnis auf "Verwunderung und Befremden", wie es in einem offenen Brief heißt, der an den OB und die Stadträte adressiert ist. Die Unterzeichner betonen: "Wir wenden uns entschieden gegen die Instrumentalisierung der abscheulichen Vergewaltigung". Jung argumentiere "auf einer populistischen Ebene", kritisiert auch Ruth Brenner, Vorsitzende des Fürther Kreisverbands des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
Als Tatverdächtiger gilt ein ein 37-Jähriger, der in Fürth geboren wurde, aber die türkische Staatsangehörigkeit besitzt. Er soll die Frau Anfang November nahe der Uferstadt ins Gebüsch gezogen und vergewaltigt haben. Wie sich herausstellte, war er nach einer Reihe von Straftaten ausreisepflichtig; eine weitere Aufenthaltserlaubnis war ihm verwehrt worden. Weil sein Pass aber verschwunden war und er sich weigerte, Unterlagen für Ersatzpapiere auszufüllen, sah die Fürther Ausländerbehörde keine Möglichkeit, ihn abzuschieben.
Jung drängte daraufhin unter anderem in einem Schreiben an die SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles darauf, diese "Rechtslücke" zu beseitigen. Es könne nicht sein, dass ausreisepflichtige Straftäter einen Aufenthalt erzwingen könnten. Die Sanktionsmöglichkeiten des Staates seien zu schwach. Bei fehlender Mitwirkung müsse künftig Abschiebehaft schneller möglich sein. Alternativ könnten Ausreisezentren eingeführt werden, wie es sie von 2002 bis 2009 schon einmal in der Fürther Hafenstraße gab. Ein Rechtsstaat, so der OB, sei daran zu messen, dass er Recht vollziehe. Von einer großen Mehrheit des Stadtrats hatte er dafür Zustimmung geerntet.
"Natürlich gehören Straftaten wie diese entsetzliche Vergewaltigung verfolgt und deren Täter verurteilt", schreibt das Bündnis. Man halte es aber für gefährlich, den Fall zu verwenden, um – wie Rechtspopulisten und Rechtsextreme – härtere Abschiebegesetze zu verlangen. Bereits jetzt werde Abschiebehaft häufig zu Unrecht angeordnet; aus Verzweiflung nähmen sich jedes Jahr Menschen in diesen Haftanstalten das Leben.
Die Gewalt war "nicht importiert"
Der 37-Jährige sei in Fürth aufgewachsen und sozialisiert worden. "Daraus wird offensichtlich, dass Gewalt gegen Frauen ein Problem in unserer Gesellschaft darstellt und nicht importiert worden ist." Das Bündnis gegen Rechts fürchtet, dass abgelehnte Asylbewerber und ausreisepflichtige Migranten durch solche Forderungen "pauschal in die Nähe von Kriminalität und sexualisierter Gewalt gerückt" werden.
Wenig mit Jungs Worten allerdings hat es zu tun, wenn das Bündnis davor warnt, "Menschen in ein Gefängnis zu sperren, ohne dass diese eine Straftat begangen haben", sondern weil sie nicht freiwillig an ihrer eigenen Abschiebung mitwirken. Jung geht es ausdrücklich um Menschen, die "schwerste Straftaten" verübt haben, wie er noch einmal auf FN-Nachfrage klarstellte.
"Dagegen helfen keine Abschiebegefängnisse"
Einschränkungen von Aufenthaltsrechten seien keine Lösung, um Frauen vor Gewalt zu schützen, meint auch Brenner. Wie das Bündnis lenkt sie den Blick auf die Gewalt, die jedes Jahr viele Frauen aus allen Schichten in Deutschland erleben. "Dagegen helfen jedoch keine Abschiebegefängnisse, sondern eine Ächtung von Sexismus in der Gesellschaft und konsequente Verfolgung von sexueller Gewalt", so das Bündnis.
Präventionsprogramme, Frauenhäuser und Fachberatungsstellen müssten besser ausgestattet werden. "Sich hier zu engagieren, stünde unserer Meinung nach dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat von Fürth besser zu Gesicht, als nach Abschiebehaft zu rufen." Brenner vermisst Handlungseifer auch an anderer Stelle, etwa wenn es darum geht, Frauen gleichzustellen, Alleinerziehende und Rentnerinnen vor Armut zu schützen.
Viel Zuspruch von Bürgern
Er bedauere, "dass es immer zu solchen reflexartigen Reaktionen von Funktionären" komme, sagt Jung zu der Kritik. Von Bürgern und Migrantenvertretern habe er viel Zuspruch bekommen, selbst die Preisträgerin des Mittelfränkischen Integrationspreises, Eva-Maria Brütting, habe ihm gedankt. Zum Wohl der integrationswilligen Menschen, die in Fürth die ganz große Mehrheit ausmachten, dürfe man nicht "falsche Nachsicht gegenüber brutalsten Straftaten" zeigen. Er sei selbst in einer Gewerkschaft, sagt der OB. Sein Eindruck: Die Mitglieder denken anders als die Funktionäre.
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