"Manche weinen am Telefon"

Verzweifelte Suche nach dem Booster-Termin: Ansturm auf Fürther Hausärzte

Andreas Dalberg

FN-Redakteur

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25.11.2021, 20:31 Uhr
Derzeit gibt es einen Ansturm auf die Booster-Impfungen. Auch die Fürther Hausarzt-Praxen arbeiten am Anschlag.  

© Hans-Joachim Winckler Derzeit gibt es einen Ansturm auf die Booster-Impfungen. Auch die Fürther Hausarzt-Praxen arbeiten am Anschlag.  

Weil die Nachfrage nach der dritten Spritze so groß ist, impft beispielsweise Allgemeinmediziner Dr. Richard Sohn in seiner Fürther Innenstadt-Praxis vor Weihnachten zusätzlich auch noch an Samstagen. Rund hundert Booster-Impfungen pro Woche werden verabreicht – neben der alltäglichen Praxisarbeit, zu der aktuell ja auch noch die Grippeimpfung gehört. „Wir sind am Limit“, sagt Sohn. „Die Grenzen sind erreicht, auch die Grenzen unserer Kraft.“

Ähnlich erlebt es Dr. Franz Jobst in seiner Allgemeinarztpraxis: „Es ist eine irre Belastung. Die Medizinischen Fachangestellten leisten tolle Arbeit, die oft über ihre Kräfte geht. Seit Wochen herrscht unglaublicher Druck.“ Der Druck wird ausgeübt von Patienten, die möglichst schnell einen Impftermin haben möchten, und er trifft vor allem die Mitarbeiter am Empfang und Telefon.

Kritik an der Politik

Dass die Nerven bei manchen Patienten blank liegen, zeigt sich auch daran: „Es gibt Menschen, die am Telefon weinen, weil sie bei uns keinen Impftermin mehr im Dezember bekommen“, erzählt Sohn. Die Verantwortung für die aktuelle Überlastungssituation sieht er vor allem bei der Politik. Schon im Juli habe es Zahlen vom Robert-Koch-Institut gegeben, die deutlich machten, was für ein Winter bevorsteht. Dennoch seien die Impfzentren heruntergefahren worden, dennoch sei man auch nach der Bundestagswahl im September untätig geblieben.

Besonders ärgerlich ist für den Mediziner zudem die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bestellobergrenzen für den Impfstoff von Biontech einzuführen. Sein Kollege Thomas Wunderlich, Allgemeinmediziner und Vorstandsmitglied des Erlanger Hausärztevereins, hat bereits einen Brandbrief an Spahn geschrieben. „Die Patienten sind verunsichert von der Politik.“ Die Folge ist ein erhöhter Beratungsaufwand – also eine weitere Belastung für die Praxen.

Auch Jobst kritisiert die Politik, insbesondere für ihre Kommunikation: „Moderna ist ein toller, hochwirksamer Impfstoff, der sogar noch etwas länger schützt. Das aber wurde nicht kommuniziert.“

Den Hauptgrund für die aktuelle Stress-Situation bei Hausärzten sieht Michael Langer darin, dass das Boostern zusätzlich zum normalen Praxis-Alltag gestemmt werden muss. „Daher ist es ein Vorteil, dass wir das Impfen auslagern können“, sagt der Geschäftsführer des Medic-Centers Nürnberg, einem Verbund von Arztpraxen an über 30 Standorten in der Region, darunter auch Fürth und Stein.

Impfen in der Schön-Klinik

Heißt: Das Medic-Center hat seit dieser Woche wieder sein Impfzentrum in der Fürther Schön-Klinik geöffnet. Dort sollen 2000 Impfungen wöchentlich vorgenommen werden, mittwochs und samstags. Termine werden vorzugsweise an eigene Patienten vergeben. Bleiben Termine frei, werden diese auf der Internetseite www.medic-center-nuernberg.de zwei Tage vorher bekanntgegeben und können online gebucht werden. Langer empfiehlt, immer montags und donnerstags nachzusehen, ob ein Piks kurzfristig möglich ist.

Klar ist aber: „Aktuell sind wir alle völlig am Limit.“ Denn auch Erstimpfungen werden nun wieder verstärkt nachgefragt – ihr Anteil macht laut Langer mittlerweile rund zehn Prozent aus. Das Boostern selbst, so schätzt er, wird sich bis Februar, März hinziehen.

Im Fürther Ärztenetz, berichtet Vorstand Dr. Christian Schell, will man sich verstärkt untereinander aushelfen. Impfwillige sollen beispielsweise innerhalb des Ärztenetzes an Praxen weitervermittelt werden, die noch Kapazitäten freihaben. „Wir tun das Mögliche, um dem momentanen Ansturm Herr zu werden“, sagt Schell. Er ist durchaus optimistisch, dass sich die Situation in wenigen Wochen bessern wird, zumal auch das Fürther Impfzentrum in der Rosenstraße seine Kapazitäten wieder hochfährt.

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