Gerichtspräsident äußert sich abfällig über Ansbach
6.2.2020, 08:59 UhrDie Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), das Oberste Bayerische Verwaltungsgericht komplett mit 160 Stellen von München nach Ansbach verlagern zu wollen, hatte Mitte Januar bei der Stadtspitze für viel Freude gesorgt. Doch davon kann im Moment keine Rede mehr sein. Statt Euphorie herrscht Empörung. Nicht über Söders Entscheidung, sondern über den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig, Professor Dr. Dr. h.c. Klaus Rennert.
Ansbach zu klein für "attraktives Umfeld"
Er hatte Söder schriftlich dazu aufgefordert, den Entschluss für die Verlagerung zu überdenken, weil sie "für die Verwaltungsrechtspflege in Deutschland insgesamt abträglich" sein könnte. Bei dem Sitz eines Obergerichts "in einer kleineren Stadt mit etwa 45.000 Einwohnern" sei "der Erfahrung nach zu besorgen, dass die weitaus meisten Richterinnen und Richter nur noch zu den Beratungen und Sitzungen einpendeln".
Kommentar: Das falsche Wort am falschen Ort
Folge sei, "dass der informelle Meinungsaustausch über den Flur praktisch zum Erliegen kommt, der für eine niveauvolle Rechtspflege unverzichtbar ist". Weiter erklärte Rennert, dass die bayerische ebenso wie die Verwaltungsrechtspflege in Deutschland insgesamt dringend darauf angewiesen sei, die Besten des Fachs für die Berufungsgerichte und das Revisionsgericht zu gewinnen. Dies setze nicht nur ein angemessenes Gehalt voraus, sondern auch ein attraktives Umfeld, was nur in größeren Städten zu finden sei.
Ansbachs Oberbürgermeisterin Carda Seidel reagierte nach Angaben der Fränkischen Landeszeitung (FLZ) mit "Erstaunen" und "Verärgerung" auf die Äußerungen Rennerts. "Eine solch herabwürdigende Beurteilung hat unsere Stadt nicht verdient und ich gehe davon aus, dass der Bundesverwaltungsgerichtspräsident bisher noch keine Gelegenheit hatte, Ansbach näher kennenzulernen", so Seidel. Deshalb habe sie ihn nun "mit einem Schreiben zu uns eingeladen, um ihm Gelegenheit zu geben, unsere schöne und rundum lebens- und erlebenswerte Stadt erst einmal persönlich kennenzulernen und sich dann ein Urteil zu bilden". Ähnlich reagierte die übrige Stadtspitze.
Schädlicher Dünkel
Auch der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fand deutliche Worte. Gerade in einer rechtsstaatlichen Demokratie solle man dringend den Eindruck vermeiden, "dass es sich bei denjenigen, die im Namen des Volkes Recht sprechen, um einen elitären Personenkreis handelt, der sich nur an besonderen Orten aufzuhalten gedenkt", so Herrmann.
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Es bleibe bei dem Plan, den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nach Ansbach zu verlagern. Gegenüber der FLZ zeigte sich Herrmann zudem überrascht, dass sich der Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes öffentlich in Zuständigkeiten des Freistaates einmischt. Im Übrigen, so Herrmann weiter, "halte ich auch die ganze Argumentation des Bundesverwaltungspräsidenten für nicht nachvollziehbar".
Niemand werde zu Umzug gezwungen
Bei der Verlagerung solle sowohl "auf das richterliche als auch auf das nicht-richterliche Personal" Rücksicht genommen werden. Niemand werde zu einem Umzug gezwungen. Mit Blick auf die Sorge Rennerts, durch die Verlagerung nach Ansbach werde man sich mit einer "niveauvollen Rechtspflege" schwertun, verwies Herrmann auf die Situation in allen westdeutschen Flächenländern.
In keinem einzigen Fall (mit Ausnahme Bayerns) befinde sich ein Oberverwaltungsgericht am Sitz der Landesregierung. "Ich kann mich nicht erinnern, dass in diesem Zusammenhang jemals Kritik geäußert wurde oder dass man Befürchtungen ob der Qualität der Gerichtsleistungen geäußert hätte", so Herrmann.
Der Ansbacher CSU-Landtagsabgeordnete Andreas Schalk ("ich muss mich ja nicht so diplomatisch ausdrücken wie der Innenminister") erklärte gegenüber der FLZ: "Dr. Rennert mag ein hervorragender Verwaltungsjurist sein, aber Klugheit hat nun einmal mehrere Perspektiven." Was sich Rennert mit seiner Wortmeldung zu Ansbach geleistet habe, offenbare doch "ein schwer gestörtes Verhältnis zu ländlichen Räumen".
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