Gunzenhausen: Fitz’ Corona-Impfung wird zum Politikum
23.2.2021, 05:59 UhrEs gibt dazu seit Samstag viele private Gespräche, Leserbriefe (diese finden Sie in der Zeitung vom 22. und 23. Februar) und eine lebhafte Diskussion unter anderem auf Facebook. Dort ist der Tenor überwiegend negativ, manchmal auch regelrecht beleidigend, aber es gibt auch Stimmen pro Bürgermeister, wonach dessen Argumentation durchaus plausibel sei.
Bürgermeister Fitz ist schon gegen Corona geimpft
Inzwischen hat das Thema auch die Kommunalpolitik erreicht. Dr. Werner Winter, Stadt- und Kreisrat der Freien Wähler, hat sich sowohl an den Bürgermeister als auch an die Presse gewandt. Er schreibt, dass der "Impfvorgang" und der Bericht darüber in der Bevölkerung zu Verärgerung und Unmut geführt habe und er von vielen Bürgern darauf angesprochen wurde.
In der Bevölkerung werde das Impfen eines Bürgermeisters und einer Reihe von Mitarbeitern der Verwaltung "schlechthin als Erschleichung einer Corona-Impfung angesehen", stellt der langjährige Stadtrat fest. Und weiter: "Die Begründungen hierzu seien nicht nachvollziehbar. Man hat sich aber nicht nur eine Impfung erschlichen, sondern vermutlich auch den besseren Impfstoff von Biontech in Bezug auf den Impfstoff von Astrazeneca, welcher für die geimpfte Altersgruppe vorgesehen ist."
Kurzfristig ergab sich diese Möglichkeit im Seckendorff-Heim - Fitz hält sein Vorgehen für einwandfrei.
Gepostet von Altmühl-Bote am Samstag, 20. Februar 2021
Werner Winter verweist auf die Reihenfolge der Impfungen, wie sie in der Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums klar geregelt sei: Zunächst sollen in Deutschland Menschen über 80 geimpft werden, außerdem Frauen und Männer, die durch ihre Arbeit in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen oder Impfzentren ein besonders hohes Ansteckungsrisiko haben. Sie gehören der Gruppe mit der höchsten Priorität an. Polizisten räumt die Verordnung – so Winters Darstellung – lediglich eine hohe Priorität ein, Landräte, Bürgermeister, Klinikleiter und Verwaltungsangestellte in diesen Pflegeeinrichtungen sind nicht gesondert aufgeführt.
Laut Paragraf 2 der Impfverordnung gilt unter anderem "für Personen, die in stationären und teilstationären Einrichtungen zur Behandlung, Betreuung oder Pflege älterer oder pflegebedürftiger Menschen behandelt, betreut oder gepflegt werden oder tätig sind", höchste Priorität beim Impfen. Der Begriff "tätig sind" beziehe sich dabei nicht auf Tätigkeiten in der Verwaltung einer Klinik, sondern nur auf Tätigkeiten im Rahmen der Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Menschen, betont der Freie-Wähler-Politiker aus Unterwurmbach.
FW-Politiker Winter sieht keine Rechtfertigung
Winter erlaubt sich in seinem Brief einen Hinweis auf eine Klinik in Bad Wildungen, wo zwei Geschäftsführer freigestellt wurden, weil sie sich eine Corona-Impfung erschlichen haben. Damit dürften die Rechtfertigungen von Bürgermeister Fitz, wie sie im Altmühl-Boten standen, "widerlegt" sein, meint Winter. Seine Aussage: "Geschäftsführer von Pflegeeinrichtungen gehören nicht zum priorisierten Personenkreis nach § 2 der Impf-Verordnung."
Der FW-Politiker dringt darauf, dass in der nächsten Sitzung des Stadtrats unter dem Punkt "Sonstiges" folgende Fragen beantwortet werden: 1. Wer war verantwortlich für die Einhaltung der Corona-Impfverordnung? 2. Wer hat die Impfpläne aufgestellt? 3. Warum gab es keine Listen mit kurzfristig erreichbaren Kandidaten der ersten Prioritätsgruppe? In Ulm würden zum Beispiel nur 90 Prozent der eingeplanten Dosen vorbereitet. Der Rest werde dann nur auf Bestellung gefertigt. 4. Welcher Arzt war für den Impfvorgang zuständig? 5. Angabe der Personen, "die sich die Impfung erschlichen haben".
Die nächste Stadtratssitzung ist an diesem Donnerstag um 19 Uhr in der Stadthalle. Ob Winters Antrag dann zur Sprache kommt, ist offen.
"Regelmäßig im Heim"
Der so Gescholtene hat derweil auf Facebook sein Gründe (wie sie großteils im Presseartikel bereits aufgeführt waren) genannt und sein Verhalten erklärt. Als Erster Bürgermeister sei er Verantwortlicher und oberster Dienstherr der Hospitalstiftung Gunzenhausen, welche für Unterhalt und Betrieb des Burkhard-von-Seckendorff-Heims verantwortlich ist. Außerdem wird das Heim von verschiedenen weiteren Organen der Stadt Gunzenhausen verwaltet und vertreten, "was bedeutet, dass eine Reihe von Stadtbediensteten, mich eingeschlossen, regelmäßig im Heim tätig sind".
Von wegen Vordrängeln am Rother Krankenhaus: Impfung aller ausdrücklich erwünscht
Seit dem Beginn der Corona-Pandemie sei es notwendig, noch häufiger im Heim zu sein, um neben den laufenden Aufgaben wie zum Beispiel dem Abschluss sämtlicher Bewohnerverträge, Einstellungen und Kündigungen von Mitarbeitern, Besprechungen mit dem Personalrat auch für die Corona-Pandemie wichtige Entscheidungen zu treffen, so Fitz.
Die geltende Impfordnung sehe vor, dass alle Personen unter die erste Priorität fallen, die in Alten- und Pflegeheimen tätig sind. Das treffe auch auf ihn und diverse städtische Mitarbeiter zu, unterstreicht der Rathauschef, selbst ausgebildeter Jurist. Und: "Ich möchte mir nicht vorstellen, was die Öffentlichkeit sagen würde, wenn ich oder meine im Heim tätigen städtischen Mitarbeiter das Virus ins Heim bringen würden und dabei Menschen erkranken oder sterben."
BRK Erlangen-Höchstadt: Corona-Impfung erschlichen
Denunzianten, Besserwisser und Menschen, die Moral vorgaukeln, brächten in der Pandemie niemanden weiter, im Gegensatz zu denen, die oft schwierige Entscheidungen träfen, Verantwortung übernähmen und sich für andere Menschen einbrächten.
Schwere Vorwürfe
Derweil haben sich zwei Juristen aus der Region beim Altmühl-Boten gemeldet. Sie stellen unisono fest, dass im Fall der Bürgermeister-Impfung rechtlich nicht korrekt vorgegangen worden sei. Einer der beiden Anwälte erwähnt sogar die Vermutung, dass die Impfung von Fitz und anderen städtischen Mitarbeitern vorab abgesprochen gewesen sei.
Fitz selbst hat – im Gegensatz dazu – gegenüber dem Altmühl-Boten und auf Facebook berichtet, dass er an einem Sonntag angerufen wurde, dass ein Überhang an Impfstoff vorhanden sei. Binnen 30 Minuten solle er im Burkhard-von-Seckendorff-Heim sein, da andernfalls die Dosen verfallen würden. Er habe sich in der Pflicht gesehen, mit gutem Beispiel für alle in der Einrichtung tätigen Mitarbeiter voranzugehen und das Risiko des Einschleppens zu reduzieren.
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