Sozialverbände befürchten enorme Probleme
"Mit den Kräften am Ende": Diesen Schaden könnte die Impfpflicht verursachen
4.2.2022, 06:00 Uhr"Dass soziale Einrichtungen vor dem Kollaps stehen, weil sich der Fachkräftemangel immer mehr zuspitzt, ist keine Übertreibung, sondern eine Tatsachenbeschreibung", haben Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl, die Landesvorsitzenden der bayerischen Arbeiterwohlfahrt (Awo), anlässlich der Wachablösung an der Spitze der Freien Wohlfahrtspflege Bayern erklärt. Turnusgemäß wechselt der Vorsitz dieses Zusammenschlusses der sechs sozialen Spitzenverbände im Freistaat jedes Jahr, und nun gab Margit Berndl vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Bayern den Stab an die neue Doppelspitze weiter.
Ein Wechsel in turbulenten Zeiten, denn für sämtliche Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege - von der Altenpflege über die Eingliederungshilfe und die niedrigschwelligen Beratungsangebote bis zur Kinder- und Jugendhilfe - zeichnen sich erhebliche zusätzliche Probleme in den kommenden Wochen ab. Und teilweise ganz andere Probleme, als Margit Berndl vor einem Jahr den Vorsitz übernommen hatte. Da steckte Deutschland mitten in der zweiten Welle, und im Zuge der gerade gestarteten Impfkampagne sorgten angesichts des da noch knappen Impfstoffs Impfdrängler und nicht Impfverweigerer für Schlagzeilen.
"Nicht zu Ende gedacht"
Nun verschärft die nach Ansicht von Berndl "nicht zu Ende gedachte" einrichtungsbezogene Impfpflicht die ohnehin vorhandene Personalnot. Die Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten, die seit zwei Jahren am Limit arbeiten und zum Teil mit Schutzausrüstung ihre Aufgaben erfüllen müssen, fühlten sich stigmatisiert und an den Pranger gestellt, kritisiert die scheidende Vorsitzende. Unter anderem wachse die Gefahr, dass die Versorgung von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen eingeschränkt werden müsse.
Erschwerend komme hinzu, dass nicht nur Pflegekräfte, sondern auch alle anderen Beschäftigten in diesen Einrichtungen von dieser Impfpflicht betroffen seien. "Viele dieser Arbeitnehmer aus der Hauswirtschaft, der Haustechnik oder von den Fahrdiensten können problemlos in andere Branchen abwandern", warnt Berndl.