Jahrelanger Ärger

Neonazi-Treff in der Region: Neue Entwicklungen im Streit um Frankens „Braunen Bunker“

Azeglio Elia Hupfer

nordbayern-Redaktion

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28.8.2024, 17:03 Uhr
Das Haus in einem Ortsteil von Regnitzlosau im Landkreis Hof hat Neonazis als Treffpunkt gedient. (Archivbild)

© picture alliance / dpa Das Haus in einem Ortsteil von Regnitzlosau im Landkreis Hof hat Neonazis als Treffpunkt gedient. (Archivbild)

Das einst größte Neonazi-Netzwerk Bayerns, das "Freie Netz Süd" (FNS), trifft sich immer wieder in dem Haus in Oberprex, einem Gemeindeteil von Regnitzlosau im oberfränkischen Landkreis Hof. Das bayerische Innenministerium spricht von einer "entscheidenden Anlaufstelle". Bereits 2014 wird das FNS verboten, im Streit um das Haus gibt es auch zehn Jahre später noch neue Entwicklungen: Die Gemeinde hat nun das Grundstück mit dem Haus, das auch als "Brauner Bunker" bekannt ist, gekauft.

Mit dem Kauf soll jetzt endlich ein Schlussstrich unter eine jahrelange Debatte gezogen werden. Die Gemeinde wolle mit diesem Schritt die Nutzung durch Rechtsextreme künftig ausschließen, sagte Fritz Pabel (CSU), der Zweite Bürgermeister. Das sei man den Bürgerinnen und Bürgern dort schuldig. Die Gemeinde hoffe, dass damit der jahrelange Streit um das Gebäude ein Ende habe, sagte Pabel. Darüber berichteten zuvor mehrere Medien und die Deutsche Presseagentur.

Der Kauf belaste den Gemeindehaushalt, zu den genauen Kosten, machte der Zweite Bürgermeister allerdings keine Angaben. Der Gemeinderat kam einstimmig zu der Entscheidung.

Gemeinderat entscheidet über Zukunft des Gebäudes

Aus Sicht von Pabel ist der bauliche Zustand des ehemaligen Gasthofes schlecht. Ein Abriss des einstigen Wirtshauses würde sich deshalb rechtfertigen lassen. Fest steht dieser allerdings noch nicht, was genau mit dem Gebäude geschehen wird, will der Gemeinderat nach der Sommerpause entscheiden.

Das Haus in Oberprex hatte über Jahre als Neonazi-Treff und aufgrund einer Beschlagnahmung durch den Freistaat für Schlagzeilen gesorgt.

Das Haus in Oberprex hatte über Jahre als Neonazi-Treff und aufgrund einer Beschlagnahmung durch den Freistaat für Schlagzeilen gesorgt. © -/-/dpa

Freistaat hatte das Anwesen beschlagnahmt

Die rechtsextreme Gruppierung hatte in dem Haus in Oberprex ihren Sitz. 2014 hatte der Freistaat die Vereinigung verboten und dabei auch das Anwesen beschlagnahmt. Das FNS habe "die aggressiv-kämpferischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen der 2004 verbotenen ‚Fränkischen Aktionsfront‘ an deren Stelle weiter verfolgt", begründete Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im Sommer 2014 das Verbot. Man wolle "neonazistischen Umtrieben wirkungsvoll" begegnen, so der Innenminister damals.

Gegen die Beschlagnahmung ging die Mutter von Tony Gentsch, einem damals führenden Kopf des FNS vor, da ihr das Grundstück samt Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude gehörte.

Eigentümerin will von rechtsextremen Aktivitäten nichts gewusst haben

Die Mutter machte geltend, von den politischen Aktivitäten ihres Sohnes angeblich nichts gewusst zu haben. Sie gab ihrem Anwalt zufolge an, politisch wenig interessiert zu sein und hauptsächlich in Italien zu leben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshofs nahm der Mutter ab, dass sie von dem Treiben ihres Sohnes im "Freien Netz Süd" nichts Konkretes gewusst habe und gab ihr recht. Der Freistaat legte Revision ein, doch auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigte im vorigen Sommer das Urteil.

Wie es mit dem FNS nach dem Verbot weiterging

Gegen das FNS-Verbot klagten 41 Neonazis und Sympathisanten. Sie scheiterten 2015 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit ihrer Klage. Das erstmals 2008 nach dem Austritt vieler Neonazis aus der NPD aufgetauchte FNS ist weiterhin verboten.

Vor dem Verbot 2014 gab es im Juli 2013 eine Großrazzia gegen das FNS. Noch vor dem Verbot entwickelte sich das FNS mehr und mehr zu einer leeren Hülle, zahlreiche Mitglieder organisierten sich bereits ab September 2013 in der in Heidelberg gegründeten neonazistischen Kleinpartei "Der Dritte Weg".

Das Programm der Partei beschreibt die Bundeszentrale für politische Bildung als "stark völkisch, neonazistisch und nationalrevolutionär". Die Partei fordert in ihrem Programm unter anderem "die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes" und einen "Deutschen Sozialismus".

Zu den vom FNS zum "Dritten Weg" gewechselten Mitgliedern gehören unter anderem Tony Gentsch und der einstige FNS-Führungskader und bundesweit bekannte Neonazi Matthias Fischer. Letztgenannter lebte viele Jahre im Fürther Stadtteil Stadeln, war als Kontakt für Nürnberg im Telefonbuch des NSU-Terroristen Uwe Mundlos angegeben und ist heute der Parteivorsitzende des "Dritten Wegs".

Matthias Fischer hält im Dezember 2021 als Parteivorsitzender von "Der Dritte Weg" eine Rede.

Matthias Fischer hält im Dezember 2021 als Parteivorsitzender von "Der Dritte Weg" eine Rede. © IMAGO/Kay-Helge Hercher

Der mehrfach vorbestrafte Fischer nahm unter anderem auch schon am sogenannten "Tag der Ehre", einem faschistischen Gedenkmarsch in Budapest, teil. Die NS-verherrlichende Veranstaltung gelangte zuletzt in Nürnberg zu größerer Bekanntheit, da die Nürnbergerin Hanna seit über drei Monaten in der Nürnberger JVA in Untersuchungshaft sitzt und ihr eine Abschiebung nach Ungarn droht. Sie soll 2023 vermutete Neonazis am "Tag der Ehre" in Budapest angegriffen und verletzt haben.