1. April 1968: Fleischproben gratis
1.4.2018, 07:00 UhrAm Ende bekamen die Gäste pfundweise Gratisproben überreicht. Die sensationelle Demonstration wird heute um 15 Uhr für die ganze Bevölkerung im Messehaus am Berliner Platz wiederholt. Es ist wiederum dafür gesorgt, daß jeder Zuschauer ein Stück Schweinernes mit nach Hause nehmen kann.
Mit diesem Schritt an die Öffentlichkeit folgen die Landwirte Mittelfrankens dem Beispiel ihrer Kollegen aus dem Mindener Land, die am Dienstag vergangener Woche in Herford 1500 Tragtaschen mit jeweils drei Eiern, einem halben Liter Milch und einem Kilogramm Kartoffeln an die Verbraucher verteilt hatten. Den Lebensmitteln lag ein Zettel mit der Aufschrift bei: „Was zahlen Sie dafür? Der Bauer bekommt nur 58 Pfennig.“
Ähnlich schlecht behandelt fühlen sich die Schweinezüchter in unserer Gegend. Als das Fleisch knapp war und die Preise ständig stiegen, sind sie von den offiziellen Stellen ermuntert worden, mehr Tiere dieser Art zu halten. Inzwischen aber ist es so weit gekommen, daß die Bauern beim besten Willen kaum noch Platz in den Ställen haben, weil sie ihre Schweine nicht mehr günstig loswerden. „Wenn unsere Leute verkaufen wollen, bieten ihnen die Händler bestenfalls noch 95 Pfennig bis eine Mark pro Pfund Lebendgewicht“, sagte Heinrich Ermann, „von solchen Einnahmen aber kann niemand leben!“
die Bauern haben daher AFAG-Direktor Helmuth Könicke als Maître de plaisir für ihre Schau-Schlachtungen gewonnen, weil er sich bei jeder Gelegenheit auf der Frankenschau schon manche Sporen verdient hat. Er bewies schon gestern meisterhaft, den Schweinen ihre besten Seiten abzugewinnen. Während die Metzger mit Messer, Beil und Säge die Stücke fachgerecht zerlegten, erläuterte Könicke haarklein, wie sich die einzelnen Fleischteile am besten verwenden lassen. „Wer eine Kühltruhe daheim stehen hat, kann preiswert eine ganze Sau oder eine Hälfte einkaufen und auf diese Weise seinen Bedarf für ein Jahr oder länger decken!“ Mit solchen Worten machte Könicke dem Publikum die Vorzüge eines Einkaufs beim Erzeuger schmackhaft. In Beuteln mit der Aufschrift „Eßt mehr Schweinefleisch – und ihr bleibt gesund“ durften die Gäste am Ende der gelungenen Demonstration Kostproben mitnehmen.
Die Metzgerinnung hat noch am gleichen Tag entschieden gegen solche Schlachtungen protestiert. „Das ist unlauterer Wettbewerb, gegen den wir mit allen Mitteln vorgehen wollen“, heißt es in einer Presseerklärung von Obermeister Andreas Bäuerlein. Die Bauern könnten sich nicht beklagen, denn in früheren Jahren hätten die Metzger fast jeden Preis hingenommen.
Die Landwirte wollen sich jedoch nicht einschüchtern lassen. „Wir werden heute um 15 Uhr im Messehaus der Bevölkerung noch einmal zeigen, wer an der Preisschraube dreht und die Vorteile davon hat“, versicherte BBV-Direktor Heinrich Ermann.
3 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen