10. Juli 1967: Ein geheimnisvolles Haus
10.7.2017, 07:00 UhrWer wissen will, was die Behörde tut, muß lange nach einer Antwort suchen. Gleich dem berühmten Buchbinder Wanninger, der bei einem Anruf in einer Münchener Dienststelle von Pontius bis Pilatus weiterverbunden wird, wird auch der auskunftheischende Nürnberger von einem Amt zum anderen weitergereicht.
Eine Antwort bekommt er nach stundenlangem Forschen – man höre und staune – erst aus dem Bundeskanzleramt in Bonn. Eine vielsagende Antwort obendrein.
Hier ist die Geschichte unserer Bemühungen, etwas über den Sinn und Zweck der geheimnisumwitterten Befragungsstelle zu erfahren: Um die Mittagsstunde des gestrigen Tages gehen zwei Mann unserer Redaktion zur Wielandstraße 27. Sie fragen gleich an Ort und Stelle an, werden aber selbst sofort befragt – nach ihrem Namen und ihrer Adresse (daher offenbar der Name Befragungsstelle). Über die Aufgaben der Behörde erfahren sie nichts.
Ein Mann namens Müller verweist die beiden an den Chef des Hauses, der sein Inkognito nicht lüftet, sondern nur eine Telephonnummer preisgibt: „Rufen Sie nachmittags an!“ Unsere Leute tun, wie ihnen geheißen, hören aber nur, daß der Chef weggegangen ist und sie sich direkt an Bonn wenden sollen. Beim Anruf im Bundespresse- und Informationsamt, dem Quell aller Weisheit in Bonn, erfahren unsere Leute lediglich, daß sie die Abteilung I im Bundeskanzleramt befragen sollen. Für diese Auskunft müssen sie weiter Namen und Adresse angeben. Beim Bundeskanzleramt ergeht es ihnen nicht besser. Als sie sich per Telephon durch viele Vorzimmer durchgekämpft haben, sind erst einmal die Personalien fällig.
Zwei Stunden später ruft Dr. Alf Ensling zurück und teilt mit: „Die Befragungsstelle holt Auskünfte ein, die für die Bundesregierung von Bedeutung sind. Sie ist dem Bundeskanzleramt unterstellt und trägt dazu bei, einen umfassenden Überblick über die Entwicklung in den einzelnen Teilen Deutschlands zu erhalten. Das ist die Grundlage für die politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Arbeit zur Wiederherstellung der deutschen Einheit. Die Leute werden angeschrieben. Es ist ihnen freigestellt, Auskunft zu geben.“
Nun wissen wir‘s...
3 Kommentare
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Anarchokapitalist
Diese Abteilung des BND aufzulösen war einer der größten Fehler der Regierung. Gerade bei den hier eintreffenden Flüchtlingen war am besten zu erfahren, wer in den jeweiligen Herkunftsländern zu den Folterern gehört, wie die jeweilige Opposition in Unterdrückerstaaten einzuschätzen ist und welche Gerüchte in den Herkunftsländern so kreisen. Ja, der olle Bush hat sich auf Informationen der Abteilung bezogen um seinen Krieg gegen den Irak zu starten. Aber diese Informationen waren von der Nürnberger Behörde klar als nicht zuverlässig eingestuft. Deshalb die erfolgreichste Abteilung des BND zu vernichten war schlicht und einfach dumm!
Walter aus Nbg.
Spätestens seit Mitte der 1970er-Jahre war jeden der es wissen wollte, bekannt, dass die BRD-Schlapphüte da ihr "Unwesen" trieben. Jedenfalls mir. War immer lustig, wenn man da länger herumstand und ein paar Fotos machte. Prompt kam die Polizei und kontrollierte einen. Gründe wurden natürlich nicht genannt. Ob die "Befragungen", man könnte auch "Abschöpfung" dazu sagen, was gebracht haben, weiß man natürlich nicht. DDR/Ostblock-Bürger/Flüchtlinge (um die ging es natürlich in erster Linie) wurden jedenfalls gedrängt, "Auskünfte" über ihr Umfeld inkl. eigener Verwandte (!) und Freunde zu erteilen. Woher ich das weiß? Nicht jeder machte da mit und nicht jeder hat sich auf eine angebl. "Verschwiegenheitspflicht" gehalten. Glücklicherweise wurde diese obskure Bundesimmobilie inzwischen aufgegeben. Wurde, soviel ich weiß, vor längerem schon zum Verkauf angeboten.
RvdtG
Gut, dass wir mittlerweile wissen, dass die Hauptstelle für Befragungswesen zum BND gehört.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hauptstelle_f%C3%BCr_Befragungswesen