12. Dezember 1966: Mit Stift und Feder werben lernen
12.12.2016, 07:49 UhrImmer wieder schneiden ihre Lehrer und Schüler bei Wettbewerben hervorragend ab. Fachleute wissen die breite Streuung der Unterrichtsfächer, die solide, das Handwerkliche wie das Künstlerische gleichermaßen berücksichtigende Ausbildung zu schätzen.
Einer der Gründe für die Bedeutung der Schule mag sein, daß sie – bis auf private Anstalten in München und das "Staatliche Institut für Graphik, Druck und Werbung" in Berlin – im Bundesgebiet die einzige Fachschule dieser Art ist. Der Nachwuchs der Gebrauchs-, Werbe- und Schriftgraphiker wird allerdings so streng gesiebt, daß die zwanzig, die nach acht Semestern mit einem Zeugnis die Schule verlassen, auch sofort eine Anstellung finden.
"Selbst wenn wir mehr Schüler aufnehmen könnten, als es unsere räumlichen Verhältnisse jetzt noch erlauben, sollten es doch aus arbeitsmarkt-, wirtschaftlichen Erwägungen kaum mehr als vierzig in jedem Jahr sein", sagt Dr. Rudolf Ott, Oberstudiendirektor und Gesamtverantwortlicher für die Abteilung "Graphisches Gewerbe" an der Berufsschule III.
Mit der hiesigen Akademie der bildenden Künste liegt die Anstalt in einem Wettstreit, der für beide Teile Ersprießliches, aber auch – man darf es ehrlich sagen – knifflige Situationen bringt. Nicht immer haben die jungen Leute, die sich hier oder dort einschreiben, ihre Begabung richtig eingeschätzt. Die Akademie ist auf "Freie Graphik" eingeschworen, die Höhere Fachschule fördert und fordert Gebrauchsgraphik und das heißt: Genauigkeit bis zur Naturtreue, Exaktheit bei der Darstellung, enge Beziehung zum Alltag der Berufswelt; der Werbung, dem Druck. "Manch einer wechselt", sagt Oberstudiendirektor Dr. Ott. Nicht jedem gefällt der strenge Schulbetrieb mit seiner Vierzig-Stunden-Woche, seinem täglichen Unterricht von morgens acht bis abends fünf.
Die Stundentafel gibt die Fächer an: Grundlehre der Form, der Farbe und Darstellende Geometrie, die überleiten in Freie Graphik und Illustration; Formgestaltung und Photographie: Grundlehre der Schrift und Grundlagen der Reproduktion, die fortgeführt werden in Schriftgraphik und Typographie, "Gebrauchsgraphischer Entwurf", Werbepsychologie und Werbelehre, dazu allgemeine Fachgebiete.
"Die Praxis gibt uns recht", erklärt Fachoberschullehrer Hans Fick, Abteilungsleiter und verantwortlich für die Anstalt. "Immer wieder wird unseren Absolventen später im Beruf bestätigt, wie umfassend ihre Kenntnisse sind." Tatsächlich kann das Schularchiv (sofern es nicht von den Schulentlassenen "geplündert" wird, die ihre einstigen Arbeiten wiederhaben wollen) schöne Produkte vorliegen. Tiergarten-Plakate, wie das mit der Tigergruppe, Werbeplakate für den Christkindlesmarkt, Buch-Einbände, die Gestaltung von Schriften, die im Auftrag der Stadt herausgegeben werden: an solchen und vielen anderen Unternehmen können die zwanzig Studierenden zeigen, was in ihnen steckt.
Als in einer der letzten Sitzungen des Schul- und Kulturausschusses den Stadträten vom zuständigen Referenten Dr. Hermann Glaser ein kurzer Bericht über die Höhere Fachschule vorgelegt wurde, kamen zugleich zwei Probleme zur Sprache: die Räumlichkeiten im Berufsschulhaus an der Adam-Kraft-Straße sind beengt, außerdem ist ein Klassenraum in einem anderen Gebäude untergebracht. Man hoffe, daß die Anstalt in absehbarer Zeit ein eigenes Stockwerk im gleichen Haus beziehen kann.
Sollte die Anstalt auch eines Tages mehr Platz beanspruchen dürfen, so würde sich nach Auskunft des Leiters doch nichts an der Zahl der Schüler ändern. Auch die strenge Auslese bleibt. Mindestalter 17 Jahre, gute Begabung im Zeichnen und Malen, ausreichende Allgemeinbildung und eine bestandene Aufnahmeprüfung. "Wir bekommen im Jahr über hundert Anmeldungen und müssen achtzig junge Leute wieder fortschicken", sagt Dr. Ott.
Manchmal ist die Wahl eine Qual, denn viele der Abgewiesenen sind tatsächlich begabt.
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