14. März 1969: Auktionshammer trat nicht in Aktion

NN

14.3.2019, 07:00 Uhr
14. März 1969: Auktionshammer trat nicht in Aktion

© Kammler

Die Versteigerung des in der Einladung als „umfangreiche Sammlung hochwertiger und bedeutender Gemälde des 16. bis 19. Jahrhunderts“ apostrophierten Auktionsangebotes dürfte ein eklatanter Fehlschlag für die Veranstalter, den Düsseldorfer Galeristen Rudolf Beckers, den Erlanger Kunsthistoriker und „einzigen deutschen Ordinex-Experten“ Dr. Dr. Herbert Paulus und den Düsseldorfer Auktionator Hans-Jürgen Bach, werden.

Um es vorwegzunehmen: am ersten Auktionstag wurde nicht ein einziges Bild versteigert – und das trotz allergrößter Mühe und eines jeden Kenner von Auktionen ziemlich verblüffenden Entgegenkommens, was das Spiel mit den Preisen betrifft.

14. März 1969: Auktionshammer trat nicht in Aktion

© Kammler

Die Geschichte entbehrt nicht der unfreiwilligen Komik: da sitzen etwa fünfzig bis sechzig Menschen in Nürnberg inmitten einer Sammlung „alter Meister“ – Künstlernamen darunter, auf die das oft mißbrauchte Wort von der Weltgeltung unumschränkt zutrifft –, und niemand läßt sich zu einem einzigen ernsthaften Gebot animieren. Ist man in der Stadt, die ein Germanisches Nationalmuseum hat und in der man im Umgang mit alter Kunst durchaus versiert ist, so fühllos gegenüber diesen „alten Meistern“, oder hat man etwa kein Geld, jene Dinge zu ersteigern, die jeden Kunstfreund das Herz höher schlagen lassen müßten? Eine weitere Frage wäre: oder stimmt mit diesem herrlichen Angebot „alter Meister“ vielleicht etwas nicht? Wir wollen sie nicht beantworten und die Entscheidung jedem überlassen, wie weit er die Dinge dort oben auf der Burg ernst nimmt.

Nach den ersten vergeblichen Angeboten vermögen die Veranstalter noch mühelos das Gesicht zu wahren; zwei bis drei Fehlangebote kommen überall vor. Aber dann wird es doch etwas kurios: der Düsseldorfer Auktionator Hans-Jürgen Bach läßt sich einen „herrlichen alten Niederländer“ nach dem anderen kommen; er spielt mit den Preisen auf eine Weise, wie man das noch bei keiner Auktion erlebt hat, geht auf ein Zehntel, ein Zwanzigstel des Schätzpreises herunter – und sein Auditorium bleibt fühllos wie zuvor. Bach will Initiative hervorlocken: „Was würden Sie denn bieten?“ Auch das vermag nicht das geringste. „Sie haben doch die Gemälde alle gesehen; nennen Sie ein paar Werke, für die Sie sich besonders interessieren.“ Sein Gegenüber verharrt in der Lethargie. Zwischenruf eines der zahlungskräftigen Männer, die es durchaus bei dieser Auktion gab, des Nürnberger Spirituosenfabrikanten Ludwig Probst: „So kommen Sie zu gar nichts. Nicht diese mythologischen Schinken. Bringen Sie altdeutsche Malerei, die man hier kennt, bringen Sie niederländische Landschafter.“

Wenn auch die Auktion niemals in Fluß gekommen war, so hatte die Geschichte doch bis dahin immer noch einen scheinbaren Fortgang. Jetzt kommt alles ins Stocken. Nachdem allerhand Bilder, von denen man sich eine Chance erhofft, am Podium plaziert worden sind, beginnt die Sache von neuem. Man hört die Schätzpreise, bei denen sechstellige Zahlen an der Tagesordnung sind und die für den Fall beglaubigter Echtheit sich in den Grenzen des Angemessenen bewegen würden. Nach Nennung des Schätzpreises eisiges Schweigen.

Bach geht wieder auf Summen herunter, die ein Zwanzigstel des Schätzpreises betragen. Bei Werken, die auf 250.000 Mark taxiert sind, kommen zaghafte Gebote von 1.500 Mark, wobei nicht sicher ist, wie ernst sie gemeint waren. Bach zeigt sein Talent als Conférencier: „Kaffee und Kuchen kann ich Ihnen nicht vorsetzen, aber draußen gibt es Coca-Cola.“ – „Nennen Sie doch einen Künstlernamen, ich lasse Ihnen auch Bilder von Herrn Müller oder Meier holen.“

Aber noch sind nicht unbedingt den Veranstaltern alle Felle davongeschwommen, noch haben sie erst jene Bilder aufgetischt, die mit den „Rembrandts“, dem von Dr. phil. Dr. theol. Herbert Paulus entdeckten „Greco“, mit dem „Raffael“ nicht Schritt halten können. Wenn auch ein Renoir, ein Teniers, ein Aelbert Cuyp, ein Jan van Goyen, und was der für Kunstkenner durchaus erlauchte Namen mehr sind, zur Debatte standen. Noch ist auch der große van Dyck, dem eine Expertise angeheftet ist, noch nicht unter dem Hammer gewesen, den nun Bach nicht ein einziges Mal hat gebrauchen können. Warten wir ab, was der heutige und der morgige Tag bringen.

Der unbeteiligte Zuschauer kann sich jedenfalls kaum dem kuriosen Flair der Geschichte entziehen – interessant ist das in jedem Falle. Was Nürnberg beinahe in die Nachbarschaft Londons mit Sotheby, Kölns mit Lempertz, in die Nähe der großen internationalen Auktionsstädte gerückt hätte, ging bis jetzt aus wie das Hornberger Schießen, dem ja wohl auch eine gewisse Komik innewohnte. Die einzigen Bilder, die davongetragen werden, sind die der Fotografen und des Fernsehens. Das ist immerhin etwas.

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