15. Januar 1971: Kein Krimsekt und kein Kaviar
15.1.2021, 07:13 UhrDafür hat er auch etwas Gutes an sich: er redete nicht, wie alle Welt, vom Dürer-Jahr. Nicht einmal erwähnte er den großen Meister, den Nürnberg in diesem Jahr feiert. Fast schien es, als täte das den Festgästen wohl, die von Dürer die Nase möglicherweise schon voll haben. Wohltuend hob sich der OBM von jenen Reden ab, die in diesen Wochen im Überfluß gehalten werden. Er umging den großen Meister.
Dafür sprach er um so eindringlicher von den Haushaltsnöten der Stadt. Davon, daß in diesem Jahr keine „kommunale Investitions-Sensation“ stattfinden wird. Trotzdem aber werde die Stadt Nürnberg auch 1971 rund 200 Millionen Mark für Baumaßnahmen ausgeben. Das eigentliche Problem – so der OBM besteht darin, die Rangfolge der in den nächsten fünf Jahren fälligen Projekte festzulegen. Der Stadtrat wird sich darüber den Kopf zerbrechen müssen.
Auch Demonstranten gab es – von der Kommunistischen Partei. Sie protestierten dagegen, daß bei diesem Empfang Sekt und Kaviar gereicht werde. Sie forderten statt dessen Kindergärten und Schulen.
Aber weder gab es Sekt, noch Kaviar. Gereicht wurden Frankenwein, Bier und belegte Brötchen – wobei immer wieder gefragt worden ist, ob denn eigentlich der Import russischen Kaviars in die Bundesrepublik ausgerechnet der DKP Anlaß zur Kritik geben sollte. Im Interesse der sowjetischen Handelsbilanz müßten doch gerade die Kommunisten verstummen. Vom Krimsekt war nicht zu reden ...
Draußen vor der Tür demonstrierte die Deutsche Kommunistische Partei. Während drinnen die Prominenz aus Verwaltung, Wirtschaft und Industrie zum traditionellen Stelldichein versammelt war, protestierten vor der Tür die Kommunisten mit dem Argument, daß in Nürnberg 20 000 Kindergartenplätze fehlen. Herbert Stiefvater, der Vorsitzende der nordbayerischen DKP, mußte sich freilich sagen lassen, daß die vorher in einem Flugblatt aufgestellte Behauptung.
Nürnbergs Ratsherren würden „bei Sekt und Kaviar auf ihre saubere Politik anstoßen“, nicht den Tatsachen entspreche. Wie in den Jahren zuvor, gab es ein Glas Frankenwein und ein paar Appetithappen – ohne Kaviar. Drinnen im Foyer wurde der KP vorgeworfen, sie habe am wenigsten Interesse, den Export russischen Kaviars in die Bundesrepublik zu unterbinden. Stiefvater seinerseits stellte das nicht in Abrede, meinte aber, man benötige jedoch einen „Ansatzpunkt“ für die Kampagne, die sicherlich noch weiterlaufen werde.
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