16. Dezember 1966: Großer Ofen für alle
16.12.2016, 07:00 UhrDiese Annehmlichkeit verdanken sie dem Fernheizwerk, das die Energie- und Wasserversorgung AG (EWAG) an der Ecke Breslauer und Oppelner Straße – zentral auf der Grenze zwischen dem Süden und dem Norden des neuen Stadtteils – errichtet hat. Die „Energiefabrik“, in der zur Zeit mit zwei ölbefeuerten Kesseln 32 Millionen Kilokalorien in der Stunde erzeugt werden, kann wegen ihres 85 Meter hohen Schornsteins schon aus der Ferne erkannt werden.
Nach dem endgültigen Ausbau sollen von hier aus bei höchster Belastung im Winter für 14.400 von 17.000 Langwasser-Wohnungen, für Industrie- und Geschäftsräume sowie für die Schulen stündlich 155 Millionen Kilokalorien Wärme abgegeben werden.
Für die EWAG ist die Fernwärmeversorgung wegen der hohen Investitionen und der notwendigen Vorleistungen keineswegs eine wirtschaftlich lohnende Aufgabe. „Sie leistet damit aber einen wichtigen Beitrag zur Lufthygiene und Sauberkeit in Nürnberg“, erklärte gestern Generaldirektor der Städtischen Werke, Professor Dr.-Ing. habil. Josef Ipfelkofer, bei der Besichtigung der vollendeten ersten Stufe.
An die Architekten richtete er zwei Wünsche. Sie sollten durch möglichst geeignete Bauten zur Senkung der Kosten für das Leitungsnetz beitragen, aber auch für eine hervorragende Isolierung der Häuser sorgen, damit die Bewohner nicht erschrecken, wenn sie von der EWAG zur Kasse gebeten werden. „Der Mehrpreis für die hochwertige Isolierung ist nach wenig mehr als fünf Jahren durch geringere Heizungskosten wieder eingebracht“, rechnete er vor.
Nach ihm berichtete Dr. Helmut Knoll, der Leiter der Maschinenbaudirektion, was es mit dem „großen Ofen“ für ganz Langwasser auf sich hat. Er wird im Wechsel von nur einem Heizer bedient und frißt Schweröl aus einem benachbarten Tank, der 2.500 Kubikmeter faßt. Vier Tonnen schlucken bei Vollast alle Brennstellen zusammen. Auf dem Dach des Heizhauses befinden sich große Wassertanks, im Inneren des Werkes, das von zahllosen Rohrleitungen durchzogen wird, installierten die Techniker außer den beiden Kesseln drei Pumpen mit zusammen 2.400 Tonnen Stundenleistung. Sie pressen das vorher gefilterte und chemisch aufbereitete Heizwasser mit zehn Atmosphären Druck in das 13 Kilometer lange Leitungsnetz.
Während im Sommer für die Warmwasserbereitung stets eine Temperatur von 70 Grad eingehalten wird, verläßt das Naß – abgestellt auf eine niedrigste Außentemperatur von 18 Grad unter dem Gefrierpunkt – das Heizwerk im Winter mit 120 Grad. Bei einer stündlichen Umwälzung von 2.000 Kubikmeter strömt die inzwischen abgekühlte Flüssigkeit wieder zum Heizwerk zurück. Der Kreislauf schließt sich damit.
Weil in den beiden kommenden Jahren in Langwasser je 1.000 neue Wohnungen bezogen werden, denkt die EWAG an die Vergrößerung der Heizkapazität. Bis Mitte 1967 wird die doppelte Wärmeleistung installiert sein. Zwei weitere Kessel erzeugen ebenfalls 43 Millionen Kilokalorien, so daß insgesamt 64 Millionen bereitstehen. Ein dritter und letzter Ausbau erhöht die Stundenleistung schließlich auf 155 Millionen Kilokalorien. Bis 1974 soll es – den bisherigen Baufortschritt in Langwasser vorausgesetzt – soweit sein.
Der himmelhoch ragende Kamin ist zwar jetzt wegen des US-Landeplatzes bei 85 Metern „stehengeblieben“ und bekam zur Verringerung des bereits für den Endausbau bemessenen Querschnitts eine drei Meter hohe „Blechhaube“ aufgesetzt. Spätestens bis 1974 aber wird er mit 115 Metern alle Gebäude der Umgebung überragen.
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