23. Dezember 1966: Steinmetzkunst am Marienportal

23.12.2016, 07:00 Uhr
23. Dezember 1966: Steinmetzkunst am Marienportal

© Gerardi

Noch vor Weihnachten zogen sie die Steine nach oben und mauerten sie – trotz des eisigen Windes – ein. Damit werden die letzten Kriegsschäden an der Nordseite des alten Gotteshauses beseitigt, die im Kampf um Nürnberg im Frühjahr 1945 dem direkten Beschuß durch amerikanische Artillerie ausgesetzt war und dadurch besonders gelitten hat.

Bei dieser Gelegenheit wurde auch am Marienportal ein Gerüst aufgestellt und so war es endlich möglich, die einzelnen Figuren aus der Nähe aufzunehmen. Wohl gehen Tausende durch dieses Portal nach St. Sebald hinein doch haben die wenigsten genau hingeschaut, was dort droben zu sehen ist.

23. Dezember 1966: Steinmetzkunst am Marienportal

© Gerardi

Im Mittelpunkt des Marienportals steht die ausschmückende Legende, die von dem weiteren Lebensweg der Mutter Jesu erzählen will. Auf keinem Weihnachtsbild dürfte Maria fehlen. Aber nach der Geburtsgeschichte wird sie im Neuen Testament nur noch selten erwähnt. Zuletzt erscheint sie namentlich zu Beginn der Apostelgeschichte, zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, dann mit keiner Silbe mehr. Die Lücke füllten Marienlegenden aus, die sich im Mittelalter besonderer Volkstümlichkeit erfreuten.

Zisterzienser bauten zuerst

So zeigt der alte Meister im Bogenfeld dieses Sebalder Portals zuerst den Tod der Maria. Die Apostel sind um das Sterbebett herum versammelt. Der Jünger Johannes steht am Fußende und ringt die Hände vor Trauer um seine Mutter – Maria wurde ihm unter dem Kreuz von Jesus anvertraut –  und Engel fliegen darüber durch die Lüfte. Die nächste Szene zeigt die Jünger, die den Sarg der Verstorbenen zur Beerdigung tragen. Nach der Legende wurde versucht, den Trauerzug zu stören aber alle, die den Sarg berührten, fielen tot um. Darüber krönt der himmlische König – Christus – seine Mutter zur Himmelskönigin.

Das Werk gehört zu dem frühesten Figurenschmuck an Nürnberger Kirchen. Als St. Sebald im 13. Jahrhundert erbaut wurde, arbeiteten daran Zisterziensermönche aus Kloster Ebrach. Nach dem asketischen Verständnis dieses Reform-Ordens, der sich gegen die Pompentfaltung der mittelalterlichen Kirche gebildet hatte, beschränkten sie sich auf die strengen architektonischen Formen.

Aber bald wurde St. Sebald für die anwachsende Bevölkerung der Freien Reichsstadt zu klein. Im Jahre 1309 verkaufte der Kirchenpfleger von St. Sebald, Friedrich Holzschuher, der dieser damals durch Tuchhandel reich gewordenen Patrizierfamilie angehörte, ein kircheneigenes Haus an der Fleischbrücke und man nimmt an, daß damit die Erweiterung der Seitenschiffe auf die doppelte Breite bezahlt werden sollte.

Ein unbekannter Meister kam in diesen Jahren nach Nürnberg und machte sich zuerst an das Weltgerichtsportal, das dem Hauptmarkt zugewandt ist. Dafür schuf er auch die Figur der Heiligen Katharina, die wertvollste mittelalterliche Arbeit an dieser Kirche. Danach bekam er auch den Namen "Katharinenmeister". In der Mitte zwischen dem Weltgerichts- und dem Brautportal steht das Bogenfeld mit der Mariengeschichte, das um das Jahr 1320 entstanden sein mag. Um 1340 scheint die Werkstatt des "Katharinenmeisters" aufgelöst worden zu sein. Die neuen Steinmetzen, von denen die Figuren an den Pfeilern im Langhaus stammen, verraten ein ganz anderes Stilempfinden.

Das Marienportal ist besonders gut erhalten, weil es am wenigsten der Sonne und dem Regenwetter ausgesetzt ist. Außerdem wurde ein harter Sandstein verwendet. Im letzten Kriege wehrte eine Schutzmauer Geschosse und Flammen ab. Das Portal bekam auch keinen Granatvolltreffer wie die Brautpforte dicht daneben. Am Heiligen Abend werden die Menschen wieder in Scharen durch dieses Marienportal in die Sebalduskirche strömen. Aber dann ist es dunkel und von dem Figurenschmuck darüber ist wenig zu sehen.

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