23. Juli 1968: Amerikanische Schüler in Nürnberg
23.7.2018, 07:00 UhrDie Souvenirs sind aber das einzige, das Kathleen Jennison aus Kalifornien und Brian van Ness aus Pennsylvania in Nürnberg so angetroffen haben, wie sie es erwartet hatten, als sie sich beim American Field Service um einen Ferienplatz in Deutschland bewarben.
"Die Städte in Deutschland gefallt mir, in Amerika kein Stadt ist so alt, wir haben kein Burgen und kein Schlösser. Auch das Essen ist sehr anders, als ich gedacht habe", stellt die 17jährige Kathleen nach guten 14 Tagen zufrieden fest. Die Legende von des Deutschen Lieblingsspeise – Sauerkraut mit Eisbein Tag für Tag – hätte sie ein wenig bangen lassen.
"Henker's Bridge und die Bier" machten auf den 16 Jahre alten Brian den größten Eindruck. Es war ein großer Augenblick für ihn, als er wie die Erwachsenen ein Glas "flüssiges Brot" in einem Lokal bekam. "Wir dürfen vor 21 Jahren in Amerika keinen Alkohol trinken", erklärte er bedauernd.
Aber nicht allein, um die deutsche Küche zu studieren und alte Bauwerke zu bewundern, sind die beiden nach Nürnberg gekommen. Kathleen lernt seit vier Jahren und Brian seit drei Jahren Deutsch und nun wollen sie ihre Kenntnisse überprüfen und vertiefen. Waren sie im Anfang noch recht schüchtern, so klappt die Verständigung mit den Gasteltern und ihren gleichaltrigen "Geschwistern" jetzt schon sehr gut. Im Notfall muß das Wörterbuch helfen.
Bei Stippvisiten in den Gymnasien wollten sie nicht Neues hinzulernen, sondern sich nur einmal für das deutsche Schulsystem interessieren. "Wir müssen mehr mitarbeiten, es ist am Jahresende nicht so lustig bei uns, weil in jedem Fach ein Examen abgelegt werden muß", meinte Brian, der einen der letzten Schultage miterlebte.
Kathleen hat sich sogar Bücher von daheim mitgebracht, die sie in ihren Ferien liest, weil sie in der Schule in Amerika nur noch diskutiert werden. Vor allem wunderten sich die beiden, daß die deutschen Schüler alle die gleichen Fächer belegen, bis sie dahinter kamen, daß hier nicht die Qual der Wahl besteht wie in Amerika, wo neben den drei Pflichtfächern Englisch, Geschichte und Mathematik die Schüler sich den Unterricht aussuchen können.
Angenehm überrascht waren sie, daß die Schule nur bis 13 Uhr dauert, so daß Brian und Kathleen genügend Zeit bleibt, mit ihren Gastgebern gemeinsamen Hobbys zu frönen. In eine Nähstube verwandelt sich das Wohnzimmer von Frau Springer in Langwasser, wenn ihre Tochter Traudl und "Kathy" gemeinsam schneidern. Von ihrer Kochkünsten hat die junge Amerikanerin die ganze Familie überzeugt, als sie Spezialitäten ihrer Heimat auf den Tisch brachte.
In die Fußballkünste läßt sich Brian von seinem Freund Peter Büchner einführen. Hinter dem Haus seiner neuen Familie in Laufamholz macht er auf freiem Feld gute Fortschritte. Dafür erhält Peter Nachhilfeunterricht in Baseball-Regeln. Sport wird bei den beiden Freunden überhaupt großgeschrieben; sie paddeln auf der Donau und der Pegnitz, fahren am Wochenende zum Zelten und morgens mit dem Rad zur Schule. "Das ist verwirrend, ich weiß nicht, wie ich fahren muß, dann denke ich immer, einfach Peter hinterher", ergibt sich Brian in die Schrecken deutscher Verkehrsregeln.
Übereinstimmend meinten Kathleen und Brian: "In Amerika sind die Autos zu groß, sie dürfen ja nur 65 Meilen in der Stunde fahren. In Deutschland sind sie recht klein und sehr schnell und die Straßen sind eng, man findet sich nicht gleich zurecht."
Bis sie allerdings am 22. August – Kathleen fährt am 26. Juli noch für vier Wochen nach Darmstadt – sich mit den übrigen AFS-Schülern in Bremen treffen, um wieder nach Hause zu fliegen, werden sie sich auch an kleine schnelle Autos und an all die vielen Eindrücke in "Old Germany" gewöhnt haben.
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