24. Dezember 1966: Ein Fest mit 100g Fett

24.12.2016, 07:00 Uhr
24. Dezember 1966: Ein Fest mit 100g Fett

© NN

Weihnacht 1946 – zum erstenmal feiern die Nürnberger das schönste und besinnlichste Fest wieder im Frieden.

Schmalhans regiert zwar als Küchenmeister, aber die Sirenen bleiben stumm, die Furcht vor Bombenangriffen ist ausgestanden. Flugzeuge am Himmel beunruhigen niemand mehr. In mancher Familienrunde eilen die Gedanken hin zu Angehörigen, die in der Gefangenschaft schmachten. Es ist die Zeit mit Schlagworten wie Schulspeisung, Ausgangssperre und Entnazifizierung, die fast selbstverständlich zum Sprachschatz gehören.

24. Dezember 1966: Ein Fest mit 100g Fett

© Privat

Für die Vergeßlichen haben Archive in Wort und Bild eine Stück dieser scheinbar fernen, fernen Tage vor nunmehr 20 Jahren festgehalten. „A die Engla sind rar“

„Immerhin – ein Christkindlesmarkt“ überschreiben am 18.12.1946 die „NN“ ihren Artikel über den Christkindlesmarkt, der recht bescheiden am Frauentorgraben zwischen Opernhaus und Kulturverein abgehalten wird. Der Chronist stellt an den Anfang ein Gedicht:

Trotz Sorg‘n, Nout, Elend, Trümmer, ist blieb‘n a Fünkla Weihnachtsschimmer in unsern Herzen fest und stark, denn vorna am Kartäuser-Tur staua si die Mass‘n vur die Bud‘n vom Christkindlesmarkt.

Zwor fehl‘n die Lebkouch‘n und die Docken, ka Zwetschgenmännla hocken vur ihre Ständla, su wöi einst, und a die Engala sin rar, doch hofft ma halt afs nächste Jahr, es werd nit besser, wennst a greinst.

24. Dezember 1966: Ein Fest mit 100g Fett

© Gerardi

„Die Anzahl der Bratwurstbuden und der darin gerösteten Bratwürste auf dem Christkindlesmarkt steht in keinem Verhältnis zur Nachfrage. Immerhin – der Duft ist gratis. Durch die hartgefrorene Gasse der Budenstadt drängt sich groß und klein, jeder hofft für seine Lieben noch ein Weihnachtsgeschenk zu finden, das nicht Kitsch und Schund ist und nicht unsinnige Preise kostet. Meist bleibt es bei der Hoffnung. Mehr als im letzten Jahr gibt es auch heuer nicht und besseres ebensowenig“, heißt es in dem Bericht.

Und freudig stellen die „NN“ unter dem Titel „Kein Gabentisch ist ganz leer“ fest: „Man kann getrost sagen, daß bei der Weihnachtsbescherung keines der 25.000 Kinder leer ausgehen wird“. Besonderes Lob wird den Amerikanern, der Frankenhilfe, der Arbeiterwohlfahrt, der Inneren Mission, dem BRK und der Charitas zuteil, die versuchen, den Kleinen wenigstens eine bescheidene Freude in diesen trübseligen Tagen zu machen.

Kleinigkeiten unterm Lichterbaum

Nach dem Fest ist zu lesen: „Das heiß ersehnte Weihnachtsfest ist vorüber. Wie auf Sonderbestellung gab es für die Weihnachtstage eine leicht angeschneite Welt. Irgendeine Kleinigkeit wurde doch unterm Lichterbaum entdeckt. Zwar war man nüchtern und verständig genug, sich selbst einzureden, daß man dieses Weihnachtsfest ohne Geschenke würde verbringen müssen. Aber ganz versteckt im Innern ist doch jeder erfüllt von der kleinen Sehnsucht, daß das Fest – auch für ihn – nicht ohne ein Wunder vorübergehen würde … Freilich konnte man nicht wie früher sich den Magen an allen den süßen Leckerbissen, am zu fetten Gänsebraten und dem zu gut geratenen Stollen verderben.“

Marthakirche neu geweiht

Aus dem aktuellen Tagesgeschehen melden das städtische Amtsblatt und die „NN“: „Auf Anregung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Nürnberg wurden 21 Preiskontrollausschüsse in allen Stadtteilen eingesetzt, bei denen sich die Bevölkerung bei Zweifeln über die Zulässigkeit von Preisen wenden können.“ – „Die Ausgangssperre wird bis 3. Januar 1947 aufgehoben.“

„Die Groß- und Einzelhändler werden aufgefordert, ihre Seifen- und Waschmittelbestände zu melden.“ – „Die Händler geben Einweichmittel – Tripton – für Kinder bis zu einem Jahr aus.“ – „Kraftfahrer, die tanken wollen, müssen ihre Betankungsnachweise vorlegen“. – „Für Klein- und Kleinstkinder wird eine Sonderzuteilung von Brot aufgerufen.“ – „Die Trockenmagermilch auf Sonderabschnitte der Grundkarte 96 muß vom 20. bis 24.12. in Milchgeschäften vorbestellt werden.“ – „Die Postanstalten nehmen Päckchen und Pakete für Kriegsgefangene in französischer Hand nicht mehr an.“ – „Die Abgabe von Briketts für den Hausbrand auf B C der Brennstoffbezugskarte ist auf Anordnung gesperrt worden.“

Auch über die Bautätigkeit geben die „NN“ Aufschluß. So kann die St. Marthakirche trotz der schweren Beschädigung während des Krieges kurz vor dem Fest neu geweiht werden und die St. Sebalduskirche wird gerichtet. Bürgermeister Geier teilt mit, daß 1946 die Bombenschäden von 1.350 auf 649 vermindert wurden und der Bahnhofsplatz und der Ring zwischen Plärrer und Rathausplatz bald fertig sein werden.

In der Schlußsitzung erklärt Oberbürgermeister Ziegler: „Wenn wir vor einem Jahr glaubten, daß der Winter 1946 leichter würde, so haben wir uns getäuscht. Die Lage ist auf den meisten Gebieten, besonders im Wohnungswesen und in der Ernährung, trotz aller Bemühungen schwieriger geworden.“ Der „Club“ siegte

Die „NN“ berichten auch über einen Plan, den Dutzendteich mit Bauschutt aufzufüllen, um Platz für die Geleise zu schaffen, die in das weite Halbrund der Kongreßhalle münden, dem neuen Hauptbahnhof. Aber der Stadtrat war dagegen.

Insgesamt gesehen aber hatten damals nur die Fußballfreunde bessere Zeiten als heute. Am 2. Weihnachtsfeiertag 1946 schlägt im Fürther Ronhof vor über 20.000 Zuschauern der „Club“ die SpVgg Fürth im 153. Derby mit 3:1 und führt danach das Sechzehner-Feld der Süddeutschen Oberliga mit 51:8-Toren und 23:5 Punkten an. Da können die Anhänger des runden Leders nur noch schwärmen: Ja, das war halt einmal...

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