24. Januar 1971: Nürnberg schweigt noch

24.1.2021, 07:00 Uhr
24. Januar 1971: Nürnberg schweigt noch

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Während Nürnbergs Oberbürgermeister nach wie vor schweigt, meldete sich wenigstens sein Münchner Kollege Vogel zu Wort, für den sich die Lage ähnlich wie in Nürnberg darbietet: „Ich halte die Verstaatlichung der Großstadt-Polizeien für falsch und schädlich.“ Die Aufklärungsziffern in Nürnberg und München lägen an der Spitze in Bayern und im ganzen Bundesgebiet. Die Ausrüstung der Stadtpolizeien seien vorbildlich und liege über dem Stand der Landpolizei.

Für Nürnberg gilt auch, was Vogel über den Umgang mit Demonstranten sagte: „Auf diesem Gebiet haben die Großstadtpolizeien wesentlich mehr Erfahrungen als die Landpolizei.“ Münchens OB jedenfalls will die Verstaatlichung seiner Polizei „nur unter Zwang“ hinnehmen.

SPD insgeheim einverstanden?

Zu einer derart klaren Stellungnahme ließ sich Nürnbergs Oberbürgermeister auch gestern nicht herbei. Damit verstärkte sich der Eindruck, daß die SPD mit den Plänen des CSU-Innenministers insgeheim einverstanden und nicht bereit ist, energischen Widerstand zu leisten. Bei der Nürnberger Polizei ist man enttäuscht darüber, daß nicht einmal versuchsweise die Anregung aufgegriffen wird, mit dem Innenministerium über eventuelle Alternativlösungen zu sprechen.

Solche Lösungen werden bei der Nürnberger CSU nicht grundsätzlich abgelehnt: beispielsweise die Aufrechterhaltung der Stadtpolizei bei stärkerer Zusammenarbeit mit der Landpolizei. Das käme weitgehend den bisherigen Vorstellungen von Polizeipräsident Dr. Herold entgegen, der sich von jeher dagegen ausgesprochen hat, daß die Informationsmöglichkeiten der „blauen“ Beamten an der Stadtgrenze enden.

Der Personalratsvorsitzende im Polizeipräsidium, Heinrich Bauer, hat ein Telegramm an Innenminister Merk gerichtet, in dem er von „Überraschung, Bestürzung und Unsicherheit“ bei den 1600 Beamten spricht. Bauer beklagt die menschlichen Probleme, die bei einer Verstaatlichung entstehen können. Er spielt darauf an, daß der Staat unter Umständen ältere Polizisten vorzeitig in den Ruhestand schicken könnte, so daß sie nicht in den Genuß der vollen Pension kommen.

Einen bemerkenswerten Beitrag zur Diskussion lieferte der Fürther SPD-Landtagsabgeordnete Horst Haase. Er befürchtet, daß der Sicherheitszustand in der Großstadt durch ständige Versetzung von Beamten leidet und daß ortsfremde Polizisten aus Unkenntnis zu viele Fehler machen.

Haases Beispiel: bei Demonstrationen habe es immer nur dann Krach gegeben, wenn die Bereitschaftspolizei eingesetzt wurde. Kaum Ärger habe es beim Einsatz der kommunalen Polizei gegeben. „Der CSU geht es um die Macht“. Zu dem Einwand, daß er, Haase, in Bayern das kritisiere, was die SPD in Hessen selbst betreibe, sagte der Parlamentarier: „Koalitionsbedingung der FDP.“

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