28. Januar 1971: Stadtrat soll größer werden

28.1.2021, 07:00 Uhr
28. Januar 1971: Stadtrat soll größer werden

© Gerardi

Die Möglichkeit, daß zusätzliche Bänke im Sitzungssaal aufgestellt werden müssen, ist unter zweierlei Gesichtspunkten gegeben. Schafft Nürnberg bis zur Wahl die 500.000-Einwohner-Grenze, sind automatisch 60 Stadträte zu wählen. Reicht die Einwohnerzahl nicht aus, will die Stadt im Schlepptau von München ihr Parlament vergrößern.

Für München ist es nämlich nach den Worten von Staatssekretär Erich Kiesl aus dem bayerischen Innenministerium so gut wie sicher, daß bei den nächsten Kommunalwahlen statt der bisher 60 nunmehr 80 Kommunalpolitiker in den Stadtrat einziehen. Dabei wies Kiesl darauf hin, die Stadträte seien starken Belastungen ausgesetzt und man müsse die volle Beschäftigung der ehrenamtlich tätigen Parlamentarier berücksichtigen. Landtagsabgeordnete beispielsweise werden mit bis zu 4000 Mark honoriert. Stadträte erhalten in Nürnberg 450 Mark im Monat.

Und der Staatssekretär sprach einen bedeutungsvollen Satz: im Rahmen der Gebietsreform Bayerns und der deshalb notwendigen Verschiebung der Kommunalwahlen von März 1972 auf den Herbst nächsten Jahres könne man ohne weiteres durch die ohnehin notwendige Novellierung der Bayerischen Gemeindeordnung im Landtag diese Aufstockung des Münchener Stadtrats durchziehen.

Was dem einen billig, ist dem andern recht: dann wünschen sich die Nürnberger ebenfalls ein größeres Stadtparlament. Notfalls will man in der Noris dieses Ziel dadurch erreichen, daß die Stadt nach München einen Sonderstatus als zweitgrößte Stadt in bayerischen Landen zugebilligt erhält.

Willy Prölß, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat, glaubt zwar nicht, daß die 500.000-Einwohner-Grenze rechtzeitig überschritten wird, ist aber überzeugt, daß 1972 in Nürnberg 60 Stadträte zu wählen sind.

„Die Demokratie wird halt etwas teurer“

Oppositionsführer Holzbauer denkt auch an die Bürger: sie müssen im Jahr dann 50.000 DM mehr für das Plenum zahlen.

Er kenne die Pläne des Ministeriums, die darauf abzielen, Gemeinden zusammenzulegen; für die Großstädte sei dieses Vorhaben von großer Bedeutung. Wenn man jetzt für München die Vergrößerung des Stadtrates anstrebe, dann müsse dies auch für Nürnberg gelten und überdies generell geregelt sein.

Eine eventuelle Ausnahmeregelung, eine „Lex Nürnberg“, hält auch Oppositionsführer Georg Holzbauer für durchaus angebracht. Der CSU-Fraktionsvorsitzende rechnet allerdings mehr mit der Wahrscheinlichkeit, daß Nürnberg bis zur Wahl 500.000 Einwohner zählt. Arbeit für 60 Stadträte jedenfalls sei in ausreichendem Maße vorhanden: „Bei uns ist jeder in vier Ausschüssen vertreten, die Kommissionen eingerechnet. Wenn wir unsere Arbeit gründlich machen wollen, geht die Belastung bis an die Grenze des ehrenamtlich Vertretbaren.“

Rohbauer hält die Aufstockung des Stadtrates nicht für das wesentlichste Kriterium der Gebietsreform, sie sei auch „keineswegs ein Objekt unseres besonderen Ehrgeizes“, weil er auf der anderen Seite die Bürger sehe, die dann im Jahr 50.000 Mark mehr für ihr Parlament aufzubringen hätten. Er erhofft sich aber davon eine stärkere Demokratisierung und die Möglichkeit, noch gründlicher als bisher zu arbeiten. „Demokratie wird dann halt etwas teurer.“

Und Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter unterstützt die Stadträte: die von Staatssekretär Kiesl genannten Entlastungs-Gesichtspunkte für die gewählten Kommunalpolitiker träfen in vollem Umfang auch auf Nürnberg zu. Er befürwortet deshalb die Vergrößerung des Stadtrates auf 60 Mitglieder.

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