9. August 1969: Angeklagt war F. J. Strauß

9.8.2019, 07:00 Uhr
9. August 1969: Angeklagt war F. J. Strauß

© Ranke/Holzknecht

Die Unabhängige Jugend forderte die Fußgänger auf, mit ihrer Unterschrift für ein Ermittlungsverfahren gegen den Finanzminister zu plädieren und beim Bundespräsidenten die Aufhebung seiner Immunität zu beantragen. Die Jugendlichen berufen sich dabei auf ein Telegramm von Franz Josef Strauß wegen der Demonstrationen in Bamberg: "...diese Personen nützen alle Lücken der Paragraphen eines Rechtsstaates aus, benehmen sich wie Tiere, auf die die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich ist ...".

Diese Äußerung entspricht nach Meinung der kritischen Jugend dem Tatbestand der Volksverhetzung.

Vorwiegend die mittleren und älteren Jahrgänge störten sich jedoch an den langen Haaren des Unterschriftensammlers. "Die sollen erst einmal was arbeiten, bevor sie mitreden." Eine Fußgängerin konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, sich auf den jungen Mann zu stürzen, sie wollte ihm eigenhändig die Locken abschneiden. "Wenn euch der Osten so gut gefällt, geht doch rüber", meinte erbost ein Rentner. "Ausgerechnet den Strauß anklagen, das ist doch der beste, den wir haben."

Eine Dame verwechselte die Aktion mit einer Wahlkundgebung: "Ich muß schon sagen, die SPD wählt aber merkwürdige Methoden für ihre Werbung." "Die wollen uns wohl verschaukeln", empörte sich ein Nürnberger, "so ein Preiß auch noch." Günther Szameit war fast zu bedauern, als ihm mehrere Passanten zugleich die Gretchenfrage stellten. Völlig in die Enge gedrängt wurde er schließlich, als einige Studenten der WiSo ihn in eine Fachdiskussion verwickelten.

Nach zwei Stunden durfte er dennoch einen Erfolg verbuchen: rund 150 meist jugendliche Zuhörer hatten die Anklageschrift unterschrieben. Einige wußten aber nicht genau, um was es eigentlich geht. Ihre Antworten fielen so recht unterschiedlich aus: "Ich bin gegen Kapitalisten." – "Strauß muß unbedingt in den Knast" – "Das ganze System ist Scheiße."

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