Abschiebung in Nürnberg: Flüchtlingsrat sorgt sich um Afghanen
19.3.2019, 16:27 UhrDas Vorgehen ist gängige Praxis: Wie bei Abschiebungen üblich, hat die Ausländerbehörde um Amtshilfe gebeten. Am Dienstagvormittag fuhr eine Polizeistreife in der Austraße vor. Doch bei ihrem Eintreffen widersetzte sich der Flüchtling, floh und drohte, sich etwas anzutun. Daraufhin wurden Spezialeinheiten (SEK und USK) alarmiert, das Gebiet wurde weiträumig abgesperrt. Zunächst versuchte die Verhandlungsgruppe, auf den Mann einzuwirken, gegen 12.55 Uhr griff die Polizei dann zu, nahm ihn fest und brachte ihn in fachärztliche Behandlung.
Nach Angaben des Bayerischen Flüchtlingsrates handelt es sich bei dem Mann um den Afghanen Jan Ali Habibi, der 2015 an einer wochenlangen Protestaktion von Geflüchteten samt Hungerstreik am Hallplatz teilgenommen hatte. Die Taliban hatten seinen Vater umgebracht. Habibi, seine schwer kranke Mutter und seine beiden Geschwister sind nach Deutschland geflohen, wo sie seit 2010 leben – schon lange als geduldete Flüchtlinge. Habibi besucht derzeit die Abendrealschule. Seinen Abschluss will er im Juni machen.
Aufgrund seiner langjährigen Perspektivlosigkeit habe Habibi eine Depression entwickelt und sei suizidal. In der Beratung habe er mehrfach angekündigt, dass er sich umbringen werde, falls die Polizei versuchen würde, ihn abzuschieben. "Wir fordern deshalb die Behörden auf, die unverhältnismäßige Abschiebung sofort zu beenden", erklärt Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. "Ein Menschenleben ist wichtiger als das völlig übersteigerte Abschiebeinteresse des bayerischen Innenministers."
Die Polizei habe begonnen, Flüchtlinge mitzunehmen, weil am Dienstagabend vom Flughafen Leipzig/Halle aus die nächste Sammelabschiebung nach Afghanistan starten sollte.
Spontan-Demo am Jamnitzer Platz
Unterdessen ist auf der Website redside.tk ein Aufruf zur einer Protestveranstaltung gegen den Polizeieinsatz vom Dienstagmittag veröffentlicht worden. Ab 19 Uhr wollen sich Demonstranten auf dem Jamnitzer Platz versammeln. Die Polizei ist bereits informiert und wird vor Ort sein.
Anmerkung der Redaktion: Normalerweise nennen wir in unserer Berichterstattung über solche Fälle nicht den Namen des Betroffenen. Jan Ali Habibi war allerdings in der Vergangenheit mit seinem vollen Namen mehrfach an die Öffentlichkeit getreten und fungierte unter anderem als einer der Sprecher von Flüchtlingen, die 2015 das Protestcamp am Hallplatz und einen Hungerstreik initiiert hatten. Sein voller Name wurde dabei von verschiedenen Medien bereits veröffentlicht. Auf nordbayern.de beispielsweise in einem Beitrag über eine Demonstration vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.