Alkoholverbot in der Königstorpassage verlagert Problem
11.7.2018, 05:54 UhrMehr Licht und Polizeistreifen, modernisierte Ladenfassaden, der Putzdienst kommt öfter: "Wir haben schon viel gemacht in der Königstorpassage", sagt eine Sprecherin der Stadtreklame, der die Geschäfte unter dem Hauptbahnhof gehören. "Ich finde, dass die Aufenthaltsqualität deutlich verbessert wurde, es ist heller und sauberer."
Dies bestätigten auch die Mieter der Ladengeschäfte in der "Köpa", die dort tagtäglich stehen, sagt die Sprecherin. Vor eineinhalb Jahren etwa, bevor die Maßnahmen zur Verbesserung der Passage beschlossen wurden, tummelten sich zahlreiche Obdachlose, Flüchtlinge, Bettler und Süchtige - oft in Gruppen - in der Passage. Es kam zu Gewalttaten, viele Passanten und Reisende fürchteten sich oder mieden den Ort. "Die Mieter waren in ihrer Geschäftstätigkeit erheblich beeinträchtigt", sagt die Sprecherin. Auch heute komme es noch vor, dass Obdachlose bei den Geldautomaten ihr Nachtlager aufschlagen oder leere Flaschen stehen lassen - "aber auch die Mieter sagen, dass es deutlich weniger geworden ist". Aktuell denkt die Stadtverwaltung sogar über eine Ausweitung des Alkoholverbots nach, im September wird darüber im zuständigen Ausschuss diskutiert.
"Egal wo sie aufschlagen, wird es Probleme geben."
Die Trinker- und Drogenszene hat sich aber natürlich nicht in Luft aufgelöst. Sie wurde aus der "Köpa" verdrängt, auf den Bahnhofsvorplatz, vor die Osthalle, auf den Aufseßplatz und die Spielplätze rund um den Bahnhof. Auch am nahe gelegenen Willy-Brandt-Platz sitzen Männer schon am Vormittag mit ihren Bier- und Schnapsflaschen. Roland Stubenvoll, der Leiter der Straßenambulanz, kennt das Problem. "Wenn diese Menschen sich nicht mehr in der Königstorpassage aufhalten dürfen, dann müssen sie sich was anderes suchen. Und egal wo sie aufschlagen, wird es Probleme geben."
1200 Patienten haben die Mitarbeiter der Straßenambulanz Franz von Assisi an der Straßburger Straße im vergangenen Jahr medizinisch versorgt. "Den Höchststand hatten wir 2014 mit 1600 Patienten", sagt Stubenvoll. Vor allem der Zuzug osteuropäischer EU-Bürger sei ein Grund dafür gewesen. Viele Familien, die damals gekommen seien, hätten Jobs gefunden und seien gut integriert. "Wer jetzt noch unterwegs ist, hat meistens keine Perspektive."
Zweite Wärmestube geplant
Oft seien das Männer zwischen 40 und 60 Jahre alt, die nur wenig oder gar kein Deutsch sprechen, keine Arbeit und kein Zuhause haben – und aus Hoffnungslosigkeit den ganzen Tag trinken. "Bei den meisten wäre es auch nicht mit einem Job getan, da müsste die eine Hälfte zur Entgiftung, die andere in eine therapeutische Einrichtung", sagt Stubenvoll. Das Problem habe sich nicht in kürzester Zeit aufgebaut, sondern sei gewachsen. Er habe das Gefühl, dass in den vergangenen Jahren immer eine "Handvoll mehr" in der Stadt "hängengeblieben" sei.
Mit solch massiv alkoholisierten Menschen gebe es natürlich auch Probleme. "Freitags hat die Wärmestube zu. Das ist unser Hauptkampftag, da kommen die verstärkt zu uns in den Tagestreff." Immer mal wieder müssen Stubenvoll und seine Mitarbeiter die Polizei rufen, weil Betrunkene sich streiten oder trotz Hausverbots nicht gehen wollen. "Aber das muss man ganz klar auseinanderhalten: Da ist der Alkohol schuld und nicht die Nationalität", betont der Straßenambulanz-Leiter. Eine zweite Wärmestube, wie die Stadt sie gerade plant, hält er deshalb für eine gute Idee. "Die Lage ist dabei entscheidend, sie muss gut erreichbar sein. Etwas in Bahnhofsnähe halte ich für am günstigsten."
"Wir sind am Rande unserer Kapazität"
Auch Andreas Bott sehnt eine zweite Anlaufstation herbei. "Dringend notwendig" sei diese, sagt der Sozialpädagoge und stellvertretende Leiter der Wärmestube an der Köhnstraße: "Wir sind am Rande unserer Kapazität." Zwischen 150 und 200 Menschen suchen die Einrichtung in Bahnhofsnähe täglich auf. "Bei uns gibt es zwar immer mehr Leute. Fakt ist aber, dass das nichts mit der Königstorpassage zu tun hat. Die, die sich dort aufgehalten haben, waren nicht hundertprozentig unser Klientel", erläutert Bott. Während Bott sich um die Trinker kümmert, ist Martin Kießling als Streetworker in der Drogenszene unterwegs. Er weiß, dass sich deren Treffpunkte verlagert haben: raus aus der Köpa, rauf auf den Bahnhofsvorplatz und hinein in die öffentlichen Parkanlagen.
Seiner Einschätzung nach halten sich am Bahnhofsvorplatz jedoch in erster Linie Alkoholkranke auf, Konsumenten harter Drogen ziehen sich lieber an weniger einsehbare Orte zurück. Kießling ist im Auftrag der Mudra unterwegs, einem Verein, der sich für Drogenabhängige engagiert. Die Arbeit, sagt er, sei durch die neue Köpa komplizierter geworden, denn die offene Drogenszene habe sich zerstreut. Die Menschen seien "getriebener und gehetzter", weil es in Nürnberg keinen Ort gebe, an dem Drogenkonsum akzeptiert werde. Eine zweite Wärmestube, da sind sich alle einig, ist dringend notwendig. Eine schnelle Entlastung wird es jedoch nicht geben, da sich die zweite Einrichtung erst in der Planungsphase befindet und noch beschlossen werden muss.
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