Neues Buch zum Club

Als Weltmeister Uli Hoeneß für den 1.FC Nürnberg stürmte

Marco Puschner

Lokalredaktion Nürnberg

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20.3.2022, 07:56 Uhr
Auch dieser Schuss ging daneben: Uli Hoeneß, Weltmeister von 1974, gab 1978/79 ein erfolgloses Kurzgastspiel beim Club. 

© Roland Fengler, NNZ Auch dieser Schuss ging daneben: Uli Hoeneß, Weltmeister von 1974, gab 1978/79 ein erfolgloses Kurzgastspiel beim Club. 

Allein schon diese Abstiege. Nicht nur, dass kein anderer Verein so oft die Bundesliga verlassen musste wie der 1.FC Nürnberg – der Club hat in der Regel stets noch einen draufgesetzt. Einfach so absteigen reicht nicht. Der "Ruhmreiche" tat selbiges daher als amtierender Deutscher Meister (1968/69, immer noch einmalig), als Pokalsieger (2007/08) oder mit einem Negativ-Auswärtsrekord (1983/84, 0:34 Punkte, noch schlechter als weiland Tasmania Berlin).

Kein Sieg in der Hinserie

Er stürzte als einziger Verein am letzten Spieltag noch von Position zwölf auf Abstiegsrang 16 (1998/99) und schaffte es beim Abstieg 2013/14, als bis dato erster Klub der Bundesliga-Geschichte in der gesamten Hinserie kein Spiel zu gewinnen. Und 1994 trug ein Phantomtor zum Absturz bei.

Mit diesen und anderen Kuriositäten kann man ein Buch füllen. Das dachte sich auch Harald Kaiser, der nun genau so ein Werk vorlegt. In "Der Club ist ein Depp. Aber nicht immer" geht es jedoch – wie der Untertitel verrät – nicht nur um Niederlagen und Peinlichkeiten. Auch glanzvolle Momente der Club-Geschichte sind enthalten – diverse Titelgewinne zum Beispiel, aber auch einzelne Spiele, etwa der 4:0-Erfolg über Bayern München kurz nach dem Mauerfall im November 1989.

Rostige Nägel auf dem Spielfeld

Schon kurz darauf sorgt der Club übrigens für einen der bemerkenswertesten Spielausfälle der Bundesliga-Geschichte: Im Februar 1990 kann die Partie gegen Borussia Dortmund nicht angepfiffen werden, weil "Arbeiter in die falsche Grube" gegriffen und "scharfkantigen, mit Scherben und rostigen Nägeln durchsetzten Quarzsand" auf den Rasen des Frankenstadions gekippt hatten, schreibt Kaiser. Eigentlich sollte der Sand im kalten Winter gegen Schnee und Eis auf dem Spielfeld helfen.

Der Autor, der von 1980 bis 2016 als Redakteur des "kicker-Sportmgazins" gearbeitet hat, gab 2018 gemeinsam mit seinen Mitstreitern Christoph Bausenwein und Bernd Siegler die Club-Chronik heraus – ein Werk, das die Geschichte des Vereins minutiös Jahr für Jahr aufarbeitet.

Buchautor Harald Kaiser 

Buchautor Harald Kaiser  © kicker-Sportmagazin

In der Beschäftigung mit der Historie sei ihm "diese Ballung an unglücklichen, skurrilen und lustigen Geschichten" aufgefallen. So etwas, ist Kaiser überzeugt, könne kein anderer Verein in Deutschland aufweisen. "Ich dachte mir, das könnte man nochmals zusammenfassen."

80 unterhaltsame Episoden sind auf diesem Weg zusammengekommen. Vieles dürfte im Grundsatz bekannt sein – zum Beispiel die Geschichte, dass Fürther und Nürnberger 1924 in zwei Spielen alleine die deutsche Nationalmannschaft stellten, aber aufgrund ihrer innigen Abneigung in verschiedenen Zugabteilen zum Spiel gegen die Niederlande reisten. Gleichwohl ist es äußerst unterhaltsam, bei Kaiser noch einmal nachzulesen, wie der ratlose DFB-Funktionär Georg "Papa" Blaschke Frieden zwischen den Streithähnen schlichten wollte. Das misslang, aber das Spiel gewann die fränkische Nationalelf dennoch mit 1:0.

Eine Nationalmannschaft nur aus Münchnern und Nürnbergern gab es zwar nie, wohl aber ein gemischtes Team, das 1973 zweimal zu Freundschaftsspielen antrat. Von Nürnberger Seite war zum Beispiel Dieter Nüssing dabei; für die Bayern spielte Uli Hoeneß in dieser Mannschaft. Jener Hoeneß, der in der Bundesligasaison 1978/79 dann auch in elf Bundesligaspielen das Club-Trikot überstreifte, aber kein einziges Tor erzielte und den Abstieg nicht verhindern konnte.

Im damaligen Kader standen auch die Täuber-Brüder Jürgen und Klaus. Gemeinsam mit Stephan, der 1998 an den Valznerweiher kam, bilden sie das einzige Brüdertrio, das es in die Bundesliga schaffte. Und alle drei spielten sie freilich beim Club.

Flucht in den Westen

Fragt man Kaiser nach seinen Favoriten unter den Geschichten, so erwähnt er eine mit dem Titel "Viel Lärm um nichts" überschriebene Episode. 1986 nutzt der Dresdner Linksaußen Frank Lippmann das legendäre Europacupspiel zwischen Bayer Uerdingen und Dynamo Dresden zur Flucht in den Westen. Weil er in Nürnberg bei Verwandten unterkommt, bietet der Club ihm einen Vertrag an. Der mediale Wirbel ist groß, doch Lippmanns weitere Karriere verläuft unspektakulär. Wegen der damals üblichen einjährigen Sperre für geflüchtete DDR-Fußballer und einer schweren Verletzung bestreitet er letztlich nur sechs Bundesliga-Einsätze für den 1. FCN.

Kaiser hat vor der Club-Chronik als Teil des besagten Autorentrios schon das Standardwerk "Die Legende vom Club" (1996, diverse Neuauflagen folgten) veröffentlicht. Nun ist er ein weiteres Mal in die Vergangenheit des Vereins eingetaucht, die er als "eine der größten Skandalnudeln des deutschen Fußballs" bezeichnet.

Der Club kann gar nichts dafür

Wobei der Autor auch auf eine Ironie der Geschichte hinweist: Als die Bundesliga 1971 im Skandal um verschobene Spiele und bestochene Akteure ihre Unschuld verliert, kann der Club ausnahmsweise mal gar nichts dafür. Er kickt gerade in der Zweiten Liga. Weil er ja als Meister abgestiegen war.
Harald Kaiser: Der Club ist ein Depp. Aber nicht immer! Die unglaublichsten Geschichten rund um den 1.FC Nürnberg. Verlag Die Werkstatt, 160 Seiten, 18 Euro.

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