Darum schlafen Obdachlose in der Königstorpassage

Maria Segat

Nürnberger Nachrichten

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4.2.2020, 05:53 Uhr
Für viele, die regelmäßig in der Königstorpassage unterwegs sind, ist dieser Anblick nicht neu: Obdachlosen nutzen die Unterführung, um dort zu übernachten.

© Foto: André De Geare Für viele, die regelmäßig in der Königstorpassage unterwegs sind, ist dieser Anblick nicht neu: Obdachlosen nutzen die Unterführung, um dort zu übernachten.

Wer aus der Innenstadt den schnellsten Weg zum Hauptbahnhof sucht, kommt an der Königstorpassage nicht vorbei. Statt den Bahnhofsplatz zu überqueren, passieren täglich zahlreiche Pendler, Touristen und andere Fußgänger die unterirdische Passage, die von der Königstraße direkt in den Bahnhof hinein verläuft. Tagsüber herrscht hier zwischen Imbissbuden, Bäckereien, Kiosken, Fahrkartenautomaten und Bankfilialen ein reges Treiben.


Problemfeld und Zufluchtsort: Brennpunkt Königstorpassage Nürnberg


Spät am Abend oder in der Nacht herrscht ein anderes Bild vor: Die Geschäfte sind geschlossen, die Menschenmengen verschwunden. Wer aktuell zu später Stunde durch die Unterführungen zum Bahnhof läuft, trifft dort nicht nur auf andere Reisende, sondern auch auf Obdachlose, die dort ihr Quartier für die Nacht aufgeschlagen haben. Seit die Temperaturen mit Beginn des Winters angezogen haben, halten sich nachts vermehrt wohnungslose Menschen in der "Köpa" auf.

Pragmatismus ist gefragt

Norbert Kays, Suchtbeauftragter der Stadt Nürnberg, weiß um die Situation. Als ehemaliger Leiter der Fachstelle für Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe kennt er die Lage genau, koordiniert für das Sozialamt die Zusammenarbeit mit Polizei, Ordnungsamt und VAG in Sachen Königstorpassage. Im Umgang mit den Menschen vor Ort überwiegt aktuell vor allem eins: Pragmatismus.

"Aufgrund der Wettersituation wird das Übernachten in der Königstorpassage im Moment unter bestimmten Voraussetzungen toleriert", sagt Kays. Natürlich wäre es besser, die Menschen würden in den Notschlafstellen der Stadt übernachten, sagt Kays. Die Obdachlosen würden auch über diese Angebote informiert, berichtet er, "aber die wissen das". Es sei einfach so, dass mancher nicht dorthin geht – weil er nicht kann oder nicht will.

Die Gründe dafür sind unterschiedlich und können mit Alkohol- und Drogenkonsum zusammenhängen, mit dem Hund, der nicht in die Notschlafstelle mit darf, mit schlechten Erfahrungen, die jemand vor Ort gemacht hat. Mit den Kapazitäten der Schlafstellen habe das nichts zu tun, sagt Kays. "Es wird keiner einfach so abgewiesen, der da kommt. Die Stadt muss immer aufnehmen." Aber manche erreiche man eben mit solchen Angeboten nicht.

Kein Lärm, kein Saufgelage

Und bevor diese in der Kälte draußen übernachten, toleriere man eben ihre Anwesenheit in der "Köpa" – unter bestimmten Voraussetzungen. Die beziehen sich neben der kalten Witterung vor allem auf das Verhalten: Wer möglichst unauffällig ist, weder Krach macht noch sich übermäßigem Alkoholkonsum hingibt und vor allem niemand anderen stört oder belästigt, darf vorerst bleiben.

Dass das auch eingehalten wird, dafür sorgt neben der Videoüberwachung der Passage vor allem die verstärkte Präsenz der Polizei. Die Polizeiinspektion Mitte stellt bereits seit Mitte 2017 eine "Besondere Aufbauorganisation" (BAO), um rund um den Hauptbahnhof für mehr Sicherheit zu sorgen. Statt der ursprünglich 24 sind aktuell noch 20 Beamte in der BAO tätig, darüber hinaus ist auch die reguläre Streife der PI Mitte in der Königstorpassage unterwegs.

Andreas Belger, stellvertretender Leiter der PI Mitte und Leiter BAO, berichtet von nur "wenigen Problemen", die vor Ort entstünden. Es handele sich um "überwiegend die gleichen" Personen aus einem Kreis von maximal 20 bis 30 Personen, von denen sich aber immer nur ein Teil in der "Köpa" aufhalte.

Geweckt von Polizei-Streife

Norbert Kays spricht dagegen sogar nur von acht Personen, die sich regelmäßig dort aufhalten. Wichtig sei, dass die Obdachlosen sich tatsächlich nur nachts geduldet dort aufhalten. "Die ersten Streifen in der Früh wecken sie auf und fordern sie auf, zu gehen. Das funktioniert bis auf leichte Widerworte wirklich gut", sagt Belger.

Insgesamt bewertet er, ebenso wie Norbert Kays, die Situation als unproblematisch, Beschwerden über die Obdachlosen gebe es nur vereinzelte. Auch VAG-Pressesprecherin Elisabeth Seitzinger bestätigt dies ebenfalls. Wenn es Probleme gebe, dann hingen diese meist mit starkem Alkoholkonsum zusammen, sagt Berger von der Nürnberger Polizei – hier endet dann auch die Toleranz von Sozial- und Ordnungskräften.

Denn in der Königstorpassage sowie im und rund um den Hauptbahnhof herrscht seit 2017 nachts ein Alkoholverbot, 2018 wurde es nach der Änderung eines bayerischen Landesgesetzes auf 24 Stunden täglich ausgeweitet. Dass die obdachlosen Menschen, die derzeit ihre Nächte in der "Köpa" verbringen, dort womöglich doch Alkohol trinken, steht zu vermuten.

Doch auch diese Regelung diene "nicht zum Selbstzweck", sagt Ordnungsamtsleiterin Katrin Kurr, "sondern zur Unterbindung alkoholbedingter Störungen". Solange niemand belästigt wird, pflegt man also in Nürnberg auch hierbei einen pragmatischen Ansatz.

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