Die Prinovis-Geschichte: Aufstieg und Fall eines Imperiums

13.4.2019, 05:58 Uhr
Die Prinovis-Geschichte: Aufstieg und Fall eines Imperiums

© Roland Fengler

Sie beginnt in Artelshofen, einem Ortsteil von Vorra im Landkreis Nürnberger Land. Hannsheinz Porst, der Begründer der Kette Photo-Porst, und Hans Maul gründen dort 1947 die Buch- und Offsetdruckerei Maul+Co. Zwei Jahre später hat der Betrieb zwölf Mitarbeiter und zieht nach Nürnberg um. Es kommen Tiefdruck-Maschinen hinzu, eine Buchbinderei sowie Fotostudios. Das Unternehmen wächst weiter, so dass 1956 der nächste Umzug ansteht. Maul+Co. etabliert sich in Langwasser, wo zwischen der Breslauer Straße und der Bahnlinie ein rund 100.000 Quadratmeter großes Areal zur Verfügung steht.


Kommentar: Die Prinovis-Schließung schmerzt Nürnberg


Gustav Schickedanz steigt in das Unternehmen ein, übernimmt 25 Prozent der Anteile, die Weipert-Gruppe hält die übrigen 75 Prozent. Das Unternehmen wächst in riesigen Schritten. Rund 76 Millionen Mark (38,86 Millionen Euro) erreicht der Umsatz 1971 – eine Steigerung binnen Jahresfrist um 11,6 Prozent. 1115 Menschen sind jetzt an der Breslauer Straße beschäftigt. 1975 übernimmt Bertelsmann das 75-Prozent-Paket der Weipert-Gruppe, damit ist das Fundament für den europaweiten Aufstieg des Unternehmens gelegt.

Der beginnt 1983/84. Bertelsmann schließt seine Druckerei Belser in Stuttgart und fusioniert sie mit Maul +Co in Nürnberg. Maul+Belser weitet das Firmengelände auf rund 100 000 Quadratmeter aus, investiert rund 300 Millionen Mark (153,4 Millionen Euro). Allein um den Druck des "Spiegels" nach Nürnberg zu ziehen, werden zwei neue Druckmaschinen für 80 Millionen Mark (40,9 Millionen Euro) angeschafft. Knapp 600.000 Exemplare entstehen ab Mitte 1990 wöchentlich in Langwasser, die halbe Auflage des Nachrichtenmagazins.

Daneben wird die hauseigene Fernseh-Programmzeitschrift "rtv" mit gut sechs Millionen Exemplaren wöchentlich gedruckt. Und Maul+ Belser produziert für andere Verlage: die Frau aktuell, das Echo der Frau, die Neue Welt, die Zeitschrift test der Stiftung Warentest mit rund 600.000 Exemplaren im Monat und etliche weitere Publikationen.

90 Tiefdruckwerke laufen inzwischen an der Breslauer Straße; in der Spitze bedrucken sie mehr als 900 Tonnen Papier – pro Tag. Einen wichtiger Schwerpunkt bildet der Katalog-Druck. Maul+Belser stellt inzwischen für fast alle Versandhäuser Europas Kataloge her. Allein der 1300 Seiten starke Quelle-Katalog schlägt mit rund 15 Millionen Exemplaren im Jahr zu Buche. Der Jahresumsatz liegt längst jenseits von 450 Millionen Mark (230 Millionen Euro), die Papierkosten nicht mit eingerechnet. 1500 Mitarbeiter sind im Tief- und Offsetdruck tätig, in Werbung und Grafik. Oder in den zehn angegliederten Fotostudios, die eine breite Palette an Werbefotos von Bademoden über Möbel und Haushaltsmaschinen bis hin zu Autos produzieren.

2005 entsteht ein europäischer Gigant

2005 entsteht der Tiefdruck-Gigant Prinovis, mit dem die Bertelsmann-Tochter Arvatoder und der Springer-Verlag ihre Tiefdruckbetriebe zusammenschließen, um im europäischen Wettbewerb die Nase vorne zu haben. Maul+Belser, eine der modernsten Tiefdruckereien Europas, erwirtschaftet mit 1200 Mitarbeitern mittlerweile 600 Millionen Euro Jahresumsatz und wird zu Prinovis Nürnberg. Auch das ADAC-Magazin entsteht jetzt hier, die Computerzeitschrift c’t, das englische Lifestyle-Magazin Glamour sowie etliche Telefonbücher. Zusammen mit der Sebald Druck GmbH bildet Prinovis Nürnberg das Zentrum des europäischen Tiefdrucks.

Doch die Digitalisierung macht auch diesem Giganten zunehmend zu schaffen. Das Internet rollt den traditionellen Versandhandel auf. Eine der Folgen: Mitte 2009 geht der letzte Quelle-Katalog in Langwasser vom Produktionsband. Überhaupt gerät der Tiefdruckmarkt immer mehr in eine Schieflage. Zwischen 2010 und 2018 halbiert sich das Volumen des bedruckten Papiers. Die Überkapazitäten in der Branche steigen sprunghaft auf mindestens 35 Prozent – was die Preise in den Keller drückt. 2015 entscheidet der Springer-Verlag seine Anteile an Prinovis abzustoßen. Bertelsmann übernimmt die 25,1 Prozent und ist jetzt Alleingesellschafter.

Dieses Foto ist ein Geschichtsdokument: 2018 lief der letzte Hauptkatalog ("Final Edition") des Versandhändlers Otto beim Tiefdrucker Prinovis vom Band. Inzwischen ist klar: In fast genau zwei Jahren gehen am Prinovis-Standort in Langwasser die Lichter aus.

Dieses Foto ist ein Geschichtsdokument: 2018 lief der letzte Hauptkatalog ("Final Edition") des Versandhändlers Otto beim Tiefdrucker Prinovis vom Band. Inzwischen ist klar: In fast genau zwei Jahren gehen am Prinovis-Standort in Langwasser die Lichter aus. © Roland Fengler

Prinovis reagiert auf die Entwicklungen unter anderem mit für die Mitarbeiter schmerzhaften Sparrunden an den diversen Druckstandorten. Insgesamt dreimal. Doch immer wieder schreibt das Unternehmen rote Zahlen – und schließt nach und nach die Druckereien in Darmstadt und Itzehoe.

Und jetzt Nürnberg. Am 30. April 2021 soll an der Breslauer Straße bekanntlich Schluss sein. Weil hier die Verluste zuletzt besonderes hoch gewesen seien, sagt Bertelsmann-Chef Thomas Rabe. Es trifft rund 920 Mitarbeiter, davon etwa 250 mit Leih- oder Werkverträgen.

Keine Kommentare