Falsche Polizisten ergaunern am Telefon 1,2 Millionen Euro
25.3.2021, 20:11 UhrNoch nie habe sie tagsüber eine Beruhigungstablette nehmen müssen. Jetzt war sie nötig. Doris L. hat einen Anruf erhalten. Auf dem Display stand: 110. Es war einer der Anrufe, vor denen die Polizei in aller Regelmäßigkeit warnt. Dahinter stecken Trickbetrüger, die sich als Polizisten ausgeben. Die Anrufer sprechen astreines Deutsch, sitzen aber in einem sogenannten Callcenter im Ausland, meist in der Türkei.
Der angebliche Beamte warnt L., dass ihr Geld auf der Bank nicht mehr sicher sei. Er sagt, dass in ihrer Straße vier Männer eine Frau überfallen hätten, zwei der Täter seien der Polizei ins Netz gegangen. Bei ihnen habe man die Adresse von L. sowie ihre Telefonnummer gefunden. Es gebe auch eine Verbindung zu Mitarbeitern ihrer Bank, die mit den Tätern unter einer Decke steckten.
„Der Anrufer hat mich so unter Druck gesetzt. Wenn ich nicht kooperiere, dann sei mein Geld weg“, sagt L. Sie war verunsichert. Schließlich überwog die Skepsis, sie ging nicht darauf ein. Als sie anschließend bei der echten Polizei anrief, war es klar: Die ganze Geschichte war erlogen.
Ehepaar übergab 50.300 Euro an falsche Polizisten
Eine altbekannte Masche – sie funktioniert aber leider immer wieder, wie Zahlen aus dem aktuellen Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums belegen. Insgesamt sind 2020 die Straftaten in Mittelfranken zwar zurückgegangen – im Jahresvergleich um 6,5 Prozent. Allerdings trifft das nicht auf alle Bereiche zu. Beim Phänomen „Callcenter-Betrug Falsche Polizeibeamte“ ist der Trend gestiegen.
Registrierte das Präsidium Mittelfranken 2019 noch fünf Fälle, so waren es im vorigen Jahr 26. Entsprechend hoch ist auch der Schaden. 2019 lag er bei 270.000 Euro, im vergangenen Jahr verloren betrogene Bürgerinnen und Bürger ein Gesamtvermögen in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Dazu zählen Bargeld, Goldmünzen, Goldbarren und Schmuck.
Polizei hatte Abholerin auf dem Schirm
So wurde nach Angaben der Polizei am 14. Juli 2020 ein älteres Ehepaar aus Nürnberg-Moorenbrunn Opfer eines solchen Callcenter-Betrugs. Dabei ergaunerten die Kriminellen Bargeld und Schmuck im Wert von rund 50.300 Euro. Ähnlich wie Doris L. erhielt auch das Ehepaar einen Anruf von falschen Polizisten. Aus Angst um ihr Vermögen gingen die Senioren auf die „Kooperation mit der Polizei“ ein. Eine Frau holte das Geld und den Schmuck ab.
Die Polizei hatte die 23-jährige Abholerin aus Kösching bereits auf dem Schirm. Doch noch ehe die Überwachung anlief, schlug sie im Auftrag der im Ausland sitzenden Täter am 20. Juli in Rosenheim erneut zu: Ein 76-Jähriger übergab ihr Gold im Wert von über 100.000 Euro.
Frau und Kinder verbarrikadierten sich in der Wohnung
Drei Tage später klingelte das Telefon bei einer 33-Jährigen in Roth. Die Anrufer schüchterten die Frau so ein, dass sie sich mit ihren Kindern in ihrer Wohnung verbarrikadierte und zwei Stunden lang ausharrte, bis ihr Ehemann nach Hause kam. Geld und Wertgegenstände hatte sie zuvor der 23-Jährigen Abholerin übergeben.