Doch jetzt gibt es erste Irritationen um die Registrierungspflicht in Restaurants. Die Daten aus den Gästelisten wurden in mehreren Fällen zur Strafverfolgung eingesetzt. Zuerst berichteten die Süddeutsche Zeitung und der Bayerische Rundfunk über entsprechende Ermittlungen. Das Innenministerium spricht von einem "hohen einstelligen Fallzahlenbereich", allerdings ohne konkreter zu werden. Ursprünglich, das betonte die Staatsregierung immer wieder, sollten nur die Gesundheitsämter Zugriff auf die Kontaktdaten haben.
Datenschutzbeauftragter hat verfassungsrechtliche Bedenken
Rechtlich sei das erst einmal nicht zu beanstanden, sagen Experten. Für die Aufklärung von Straftaten ist eine Zweckänderung möglich, auch wenn die Daten eigentlich nicht für polizeiliche Ermittlungen gedacht waren. Das sieht die Strafprozessordnung vor. "Wenn sie das isoliert betrachten", sagt Thomas Petri, "dann ist das kein Problem." Der bayerische Datenschutzbeauftragte hat aber verfassungsrechtliche Bedenken. "Im Prinzip wird hier so etwas wie eine Vorratsdatenspeicherung auf den Weg gebracht."
Petri sagt, er habe die Listen immer mitgetragen, solange es um die zielgerichtete Bekämpfung der Corona-Pandemie ging. "Da hatten wir eine enge Zweck-Mittel-Relation, das ist genau das, was der Europäische Gerichtshof verlangt." Nun aber greifen andere staatliche Behörden die Daten ab. "Und das ist verfassungsrechtlich nicht unproblematisch."
Petri für Begleitgesetz
Der bayerische Datenschutzbeauftragte plädiert für ein Begleitgesetz auf Bundesebene. "Man könnte das an schwere Straftaten knüpfen, wobei unklar ist, ob das standhält." Das Mindeste, sagt Petri, sei es, klare Voraussetzungen für die Nutzung in der Strafverfolgung zu schaffen. "Oder es bleibt bei der strikten Zweckbindung für die Pandemiebekämpfung." Der Eingriff, betont der Datenschutzbeauftragte, in das tägliche Leben von Millionen Bayern sei nicht zu unterschätzen. Der Erfassung kann sich nur entziehen, wer auf Restaurantbesuche verzichtet. "Bei der Corona-App konnte man noch mit Freiwilligkeit argumentieren. Hier ist das schwieriger."
Auch der Gaststättenverband Dehoga ist verstimmt. "Uns wurde vorher gesagt, das wird ausschließlich für die Nachverfolgbarkeit im Rahmen des Infektionsschutzes verwendet", sagt Landesgeschäftsführer Thomas Geppert. "Wenn man dann mitkriegt, dass die Daten jetzt auch von der Polizei herangezogen werden, dann löst das natürlich Verwunderung aus."
Falschangaben und Datenklau? Registrierpflicht in Gaststätten in der Kritik
Wirte fürchten zusätzliche Verunsicherung, auch wenn das Hygienekonzept mit der Registrierungspflicht grundsätzlich positiv aufgenommen werde. "Wir hoffen, dass das keine Auswirkungen hat", sagt Geppert. Der Branchenvertreter fordert klare Richtlinien und mehr Transparenz. "Man muss jetzt erklären, in welchen Fällen das der Fall wäre, wo die Grenzen liegen, wann die Polizei Daten nutzt." Grundsätzlich aber sei es sinnvoll, "dass man alles unternimmt, um Gefahr abzuwenden und schwere Straftaten aufzuklären", so Geppert.
Das passiert mit Personalien, die Besucher im Biergarten hinterlassen
In welchen Fällen konkret auf welche Daten zugegriffen wurde, bleibt unklar. Auf Nachfrage der Nürnberger Nachrichten bestätigt das Präsidium Oberfranken, dass man während der Ermittlungen zu einem versuchten Totschlag eine Gästeliste aus einem Restaurant angefordert habe. Auf eine Verwendung "wurde jedoch abschließend verzichtet", so die Polizei. "Derartige Maßnahmen werden in der Regel vorab mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgesprochen."
Auch in Mittelfranken griffen Polizisten zu, hier ging es ebenfalls um ein versuchtes Tötungsdelikt. Die Süddeutsche Zeitung berichtet zudem von Ermittlungen in Oberbayern. In Rosenheim wurden über Gaststätten-Daten Zeugen nach einem Raubüberfall auf ein Schuhgeschäft gesucht. In einem anderen Fall ging es um ein Rauschgiftdelikt.
Politiker befürchten Unterwanderung der Maßnahmen
Die Registrierungspflicht ist Teil des Hygienekonzeptes für die Gastronomie, das der Branchenverband Dehoga Gaststätten im Freistaat empfiehlt. Die Feststellung der Personalien wird dabei unter Ziffer 3.2.9 geregelt. Konkret heißt es dort: "Um eine Kontaktpersonenermittlung im Falle eines nachträglich identifizierten Covid-19-Falles unter Gästen oder Personal zu ermöglichen, sollte eine Gästeliste mit Angaben von Namen, Telefonnummern und Zeitraum des Aufenthaltes geführt werden." Auch eine Aufbewahrungszeit von vier Wochen wird dort empfohlen. Die Gästeliste müsse so gelagert werden, "dass Dritte sie nicht einsehen können".
Ein System, das funktioniert. Doch nun droht neue Verunsicherung, fürchtet auch Katharina Schulze. Die Grünen-Fraktionschefin im Landtag sieht einen Vertrauensbruch, die Kritik könne sie absolut nachvollziehen, sagte die Politikerin gegenüber dem Bayerischen Rundfunk - und sprach sich ebenfalls für ein Begleitgesetz aus. "Denn meine große Sorge ist, dass Leute sich vielleicht denken: 'Dann schreibe ich vielleicht einen falschen Namen auf die Liste, weil wer weiß, an wen diese Daten überhaupt kommen'", sagte Schulze. "Und das wäre natürlich wirklich sehr gefährlich."