Bis jetzt keine Anklage
„Inhaftierung ist unangemessen“: Hannas Anwalt findet nach vier Monaten U-Haft deutliche Worte
7.9.2024, 05:00 UhrSeit Anfang Mai sitzt Hanna in Untersuchungshaft. Der 29-Jährigen wird vorgeworfen, im Februar 2023 vermutete Rechtsextremisten in Budapest angegriffen und verletzt zu haben sowie Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein. Es bestehe der Tatverdacht der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen so die Bundesanwaltschaft. Außerdem bestehe Fluchtgefahr, weshalb die Studentin seit nunmehr vier Monaten in Untersuchungshaft sitzt.
"Die Inhaftierung ist unangemessen", sagt Yunus Ziyal im Gespräch mit unserer Redaktion. Ziyal ist Hannas Anwalt und seit 2014 als Strafverteidiger und Rechtsanwalt im Asyl- und Migrationsrecht, sowie im Versammlungs- und Polizeirecht tätig. Er erklärt dazu: "Normalerweise ist eine Fluchtgefahr angezeigt, sofern ein Beschuldigter keinen festen Wohnsitz, kein Netzwerk und wenig Beziehungen hat, die ihn an einen Ort binden würden."
Bei Hanna jedoch ist das Gegenteil der Fall. Die 29-Jährige ist in Nürnberg gemeldet und hat hier einen festen Wohnsitz. "Sie hat familiäre und soziale Bindungen hier. Ihr Verlobter lebt ebenfalls in Nürnberg und sie studiert als Stipendiatin im siebten Semester an der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste. Es stellt sich demnach schon offensichtlich keine Situation dar, die eine Fluchtgefahr typischerweise begründen kann", sagt Ziyal, der häufig Verfahren gegen Beschuldigte übernimmt, die aus antifaschistischen, feministischen oder auch Klima-aktivistischen Bewegungen kommen.
Die angebliche Fluchtgefahr stütze der Generalbundesanwalt unter anderem auf das Untertauchen anderer Beschuldigter in dem Verfahren, erklärt Ziyal, der kein Verständnis für diese Argumentation hat. "Das Verhalten der Mitbeschuldigten kann nicht als Indiz für eine Fluchtgefahr gewertet werden. Vielmehr kommt es auf das Verhalten des Einzelnen an. Hanna hielt sich ununterbrochen in Nürnberg auf und hat in keiner Weise versucht, sich den Strafverfolgungsbehörden zu entziehen", sagt der Anwalt.
Der Generalbundesanwalt soll die Fluchtgefahr auch damit begründet haben, dass es eine breite solidarische Unterstützung innerhalb der linken Szene gebe und im Falle einer Flucht oder eines Untertauchens praktische und finanzielle Unterstützung wahrscheinlich wäre. Auch diese Begründung kann Ziyal nicht nachvollziehen: "Auch die bloße Wahrscheinlichkeit, dass eine Unterstützung durch Dritte möglicherweise erfolgen kann, begründet nicht den ultimativen Anreiz für ein Leben auf der Flucht oder im Untergrund."
Bei einer Untersuchungshaft sind die Ermittlungen besonders beschleunigt und ohne jede Verzögerung zu führen (Beschleunigungsgrundsatz). Die Ermittlungen können mit einer Anklageerhebung oder mit der Einstellung des Verfahrens enden. Ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz kann eine Haft insgesamt rechtswidrig werden lassen.
Im deutschen Ermittlungsverfahren gegen Hanna, das vom Generalbundesanwalt in Karlsruhe geführt wird, wurde auch nach vier Monaten noch keine Anklage erhoben. Eine Mitteilung, wann mit einem Ende der Ermittlungen zu rechnen sein wird, liegt Ziyal nicht vor. Die Pressestelle der Generalbundesanwaltschaft wollte sich auf wiederholte Nachfrage unserer Redaktion nicht zu einzelnen Haftgründen im Fall Hanna äußern und machte mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen auch keine weiteren Angaben.