Klima und Schädlinge machen Nürnbergs Reichswald zu schaffen
28.2.2021, 17:13 UhrEr ist ein Patient, der dringend einmal ein paar Jahre Ruhe bräuchte, um sich erholen zu können. Das heißt in der Praxis: ordentlich Regen, nicht zu hohe Temperaturen. Doch beim Nürnberger Reichswald kann davon keine Rede sein. "Die Wasserversorgung beschäftigt uns nach wie vor", sagt Johannes Wurm, Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten in Nürnberg. Und um die ist es nicht allzu gut bestellt.
"Die Kiefern befinden sich zwischen Leben und Tod", drückt es Wurm drastisch aus. 2018 bezeichnet er als echte Zäsur. "Fast keine Baumart blieb ohne Schaden. Selbst Eichen und Buchen waren betroffen." Auch 2020 sei wieder eines der wärmsten Jahre gewesen, so Wurm. Zwar habe es im Vergleich zu den Jahren 2018/2019 immer mal Regen gegeben, doch eben viel zu wenig, um in tieferen Bodenschichten anzukommen.
Eine Katastrophe
Kurz: Die Oberböden sind befeuchtet, aber dort, wo die Bäume ihre Wurzeln geschlagen haben, ist es trocken. Zudem sorgten auch im vergangenen Jahr teils frühlingshafte Temperaturen bereits im Februar dafür, dass früh relativ viel der ohnehin geringen Feuchte verdunstete. Eine Katastrophe gerade für sehr junge Bäume, die auf Trockenheit besonders empfindlich reagieren.
Auch Ralf Straußberger vom Bund Naturschutz (BN) in Nürnberg findet deutliche Worte. "Manche Stellen sind nicht zu halten." Auch er sieht in den Temperaturen das eigentliche Problem, auch wenn er dafür nicht nur den Klimawandel verantwortlich macht, sondern auch das Handeln des Menschen. "Durch Straßen, breite Forstwege erhöht sich die Sonneneinstrahlung und damit auch die Verdunstung.
Die Wälder heizen sich auf, mit der Folge, dass die Kiefer Probleme bekommt", so der Wald- und Jagdreferent beim BN weiter. Daher sei es wichtig, den Wald dicht zu lassen. Seiner Meinung nach werde jedoch viel zu viel geschlagen.
Wichtiges Totholz
Doch das Klima sorgt auch für eine erhöhte Schädlingspopulation. "Es ist wichtig, dass wir befallene Bäume möglichst schnell aus dem Wald schaffen, um einen Vermehrungszyklus auf gesunde Bäume zu verhindern", verweist Wurm auf die Notwendigkeit, Bäume zu fällen. Eine Taktik, die Straußberger nur bedingt nachvollziehen kann. "Bei der Fichte ist das mit Blick auf den Borkenkäfer noch nachvollziehbar, bei den Kiefern hingegen ist der Sinn nicht belegt." Zudem brauche man auch Totholz als wichtige Lebensräume. "Deshalb appellieren wir auch an die Waldbesitzer, Totholz auch stehen zu lassen."
Wurm verweist unterdessen auf den dringend notwendigen Waldumbau – ein Projekt, das bereits seit etwa 40 Jahren läuft und den Wald überlebensfähig machen soll: Durch neue und klimaresistente Baumarten, Belichtungskonzepte und der Pflanzung von mehr Laubbäumen. "Die Eiche spielt hier eine wichtige Rolle, allerdings braucht sie viel Licht." Auch Straußberger betont, dass sich in den vergangenen Jahren viel getan habe, der Waldumbau ein gutes Modellprojekt gewesen sei, das der BN einst zudem mit initiiert habe.
"Aber die Klimakrise stellt uns vor andere Herausforderungen. Unser Bestreben muss nun unter anderem sein, den alten Wald zu erhalten", sagt der promovierte Forstwissenschaftler. Denn so könne auch der wichtige Kohlenstoffspeicher in den Böden gehalten werden. Bei der Bindung von Kohlenstoff wird der Atmosphäre aktiv Kohlendioxid entzogen. Der Wald ist ein wichtiger Klimaschützer, wenn man ihn denn lässt.
Trockene Böden
Das eine tun, ohne das andere zu lassen. "Man muss verjüngen, aber die Einschläge sind unserer Meinung nach zu hoch. Auch favorisieren wir heimische Baumarten." Der Kiefer kommt hier eine besondere Bedeutung zu. "Kiefern lassen im Gegensatz zur Fichte viel Licht durch." Buchen und Eichen bräuchten nicht so viel Licht. Bleibt das Problem der trockenen Böden, weshalb Wurm von einer Wasserkonkurrenz zwischen den Bäumen spricht.