Teil drei der Serie "Klimacamp vs. CSU"

Klimaschutz in Nürnberg: "Warum sollte ich mich auf ihre Politik verlassen?"

Max Söllner

Volontär

E-Mail zur Autorenseite

7.11.2021, 05:55 Uhr
Von links nach rechts: Andreas Krieglstein (CSU-Fraktionsvorsitzender), Otto Heimbucher (CSU-Umweltexperte), Eva Schreiner (Klimacamp) und Markus Feuerlein (Klimacamp).

© Roland Fengler Von links nach rechts: Andreas Krieglstein (CSU-Fraktionsvorsitzender), Otto Heimbucher (CSU-Umweltexperte), Eva Schreiner (Klimacamp) und Markus Feuerlein (Klimacamp).

"Wir bleiben, bis ihr handelt": Seit über einem Jahr protestiert das Nürnberger Klimacamp am Sebalder Platz, in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und dem Stadtrat. Dessen größte Fraktion, die CSU, hält die Botschaft des Camps nun für "durchkommuniziert". Sie appelliert an die Aktivistinnen und Aktivisten, sich einen neuen Standort zu suchen. Grund genug für unsere Redaktion, beide Seiten zu einem Streitgespräch einzuladen. Für die CSU nahmen der Fraktionschef Andreas Krieglstein sowie der Umweltexperte Otto Heimbucher teil, für das Klimacamp Markus Feuerlein und Eva Schreiner. Die spannendsten Momente veröffentlichen wir in einer vierteiligen Serie, denn die Klimakrise ist Top-Thema. Zumindest darin waren sich Camp und CSU einig...

Eva Schreiner (Klimacamp): Ich stelle mir die Frage: Warum sollte ich mich auf Ihre Politik verlassen, wenn ich mir anschaue, was landesweit und was bundesweit passiert? Mit den aktuellen Zielen schrammen wir nicht nur knapp am Pariser Klimaabkommen vorbei, wir verfehlen es meterweit. Deshalb reicht mir nicht aus, dass Sie hier sitzen und sagen: Versprochen, wir machen das, wenn ich bundes- und landesweit genau das Gegenteil sehe bei der CSU.

Otto Heimbucher (CSU): Das ist gar nicht nötig. Sie müssen sich nicht auf die Politik verlassen, Sie müssen selbst etwas tun.

Markus Feuerlein (Klimacamp): Wir machen mehr, als man von einem durchschnittlichen Bürger erwarten kann: was wir an politischer Arbeit leisten, und was wir uns an Expertise gerade in diesem Thema erarbeitet haben. Den Vorwurf finde ich sehr respektlos.

Heimbucher: Drehen Sie es doch nicht um. Ich habe gesagt, Sie brauchen sich nicht auf die Politik zu verlassen, Sie müssen auch selbst etwas tun. Das ist doch kein Vorwurf.

Feuerlein: Ich empfinde es schon als Vorwurf, denn es sollte der Job der Politik sein.

Heimbucher: Sie müssen auch was tun, das ist ganz klar, nicht nur Sie persönlich, sondern die Bevölkerung muss in diesem Bereich entschieden aktiver werden.

Schreiner: Ich bin auch der Meinung, dass Einzelne etwas tun müssen. Aber was Einzelne vor allem tun sollten, ist, sich politisch zu aktivieren, weil unser System momentan superunfair ist. Klimaschädliches Verhalten ist zum Beispiel viel rentabler und günstiger als klimafreundliches. Es ist nicht fair, von allen Menschen den gleichen Klimaschutz im Privaten zu fordern.

Andreas Krieglstein (CSU): Wir wissen alle, wie ernst die Lage ist. Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern vielleicht schon fünf nach zwölf. Alles, was wir machen, ist ein Gegensteuern. Wir fangen viel zu spät damit an, wir hätten wahrscheinlich vor zehn, zwölf, 15, 20 Jahren beginnen müssen. Deswegen ist der Nachholbedarf enorm. Aber wir vertreten hier die Kommune. Ich kann heute nicht sagen, was Bund und Länder noch hätten alles machen müssen oder was in der Zukunft noch alles geschehen muss.

Feuerlein: Wissen Sie nach der aktuellen Politik, die weltweit, aber auch hier in Nürnberg gemacht wird, auf was für eine globale Durchschnittstemperatur diese Politik am wahrscheinlichsten hinausläuft?

"Man muss sich nur in diesem Sommer die Situation in den Hochwassergebieten anschauen"

Krieglstein: Jenseits jeglicher Diskussionen über den Temperaturanstieg sind die Menschen in diesem Land jetzt schon massiv von der Klimakrise betroffen. Man muss sich nur in diesem Sommer die Situation in den Hochwassergebieten anschauen.

Heimbucher: Die Klimasituation ist weltweit problematisch, da sind wir uns vollkommen einig. In Mittelfranken haben wir einen Temperaturanstieg von 1960 bis heute von 2,2 Grad. Bei uns ist der Klimawandel längst da. Wir können nicht mehr auf 1,5 zurückgehen, sondern wir werden wahrscheinlich die drei Grad bei uns hier in Mittelfranken erreichen.

Feuerlein: Entschuldigung, das ist ein technisches Unverständnis. Es ist nicht so, dass jede Region das globale 1,5-Grad-Ziel für ihre lokale Erwärmung einhalten muss, sondern es geht um eine globale Mitteltemperatur. 1,5 Grad wären global gemittelt nötig, damit wir ansatzweise weiter so leben können, wie wir es gewohnt sind. Mit dem aktuellen Pfad befinden wir uns auf einem Weg Richtung 3 Grad. Ein um 3 Grad global erwärmter Planet bedeutet, dass in Nürnberg die Sommer dann an einzelnen Tagen bis zu 10 Grad heißer sind als im bisherigen Durchschnitt des vergangenen Jahrhunderts. Eine Region wie Nürnberg, die eh schon einen Wassermangel hat und mit Fernwasser versorgt wird, wäre dann auf dem jetzigen Lebensstandard nicht mehr bewohnbar. Eine Millionenbevölkerung im mittelfränkischen, trockenen Sandbecken: Das ist nicht machbar, wenn die Entwicklung so weitergeht. Da werden wir auch Migrationsbewegungen innerhalb Deutschlands haben. Das ist den Leuten noch nicht klar.

Krieglstein: Wenn es darum geht, ein Schreckensszenario aufzuzeigen, dann können wir natürlich genau durchdeklinieren, was das am Ende für eine Kommune wie Nürnberg bedeutet. Aber ich möchte auf unsere Verantwortung als Stadträte zurückkommen: Was kann die Stadt Nürnberg tun, um den Klimaschutz mit der dringend erforderlichen Priorität zu versehen? Da kann ich ganz offen sagen: Es geht mit Geld, das ist so. Wir müssen im Haushalt hier Schwerpunkte setzen und haben bereits damit begonnen. Der Klimaschutzfonds ist ein großes Paket, das wir auf die Beine gestellt haben. Wir investieren 300 Millionen für den ÖPNV, für den Ausbau der Radwege, für das Freiraumkonzept, für mehr Grün in der Stadt. Wir haben darüber hinaus ein 365-Euro-Ticket beschlossen, das hätte uns keiner zugetraut.

Schreiner: Und warum ist das gekommen? Weil die Linke ein Bürger*innenbegehren gestartet hat. Dass die CSU sich damit schmückt, finde ich ein bisschen schwierig.

"Das sind 30 Jahre, wo nichts gemacht wurde"

Krieglstein: Es geht nicht um die CSU. Es geht nicht darum, zu fragen: Wer war der Vater der guten Idee? Sondern darum, dass wir jahrelange Versäumnisse hatten als Kommunalpolitik, nicht nur in Nürnberg.

Feuerlein: Nürnberg ist seit 1991 Mitglied in einem Klimabündnis von Städten. Das sind 30 Jahre, wo nichts gemacht wurde.

Krieglstein: Jetzt kann man das natürlich beklagen und zu Recht auch kritisieren. Ich sage Ihnen: Wir haben seit 2020 einen Oberbürgermeister Marcus König, und wir haben letztes Jahr diesen Klimaschutzfonds beschlossen. Wir haben auch schon Maßnahmen eingeleitet. Es ist nicht so, dass wir nichts gemacht haben. Aber ich muss offen einräumen: Es hat am Geld gefehlt, und an der Priorisierung in der Stadt und Kommunalpolitik. Das hat sich jetzt gewandelt. Für mich ist das Thema Klima das Top-Thema, weil es letztendlich alle Bereiche der Stadtgesellschaft betrifft.

Das war Teil drei des Streitgesprächs "Klimacamp vs. CSU". Hier geht es zu den anderen Episoden:

Teil eins zum Protest: "Oder sollen wir das Klimacamp im Stadtratssaal eröffnen?"

Teil zwei zu Klimazielen: "Es wäre uns auch lieber, wenn wir sagen könnten: Wir sind schon klimaneutral"

Teil vier zum Verkehr: "Da unterscheiden wir uns fundamental"