Teil vier der Serie "Klimacamp vs. CSU"

Wie Nürnbergs Verkehr klimafit machen? "Da unterscheiden wir uns fundamental"

Max Söllner

Volontär

E-Mail zur Autorenseite

8.11.2021, 05:56 Uhr
Von links nach rechts: Andreas Krieglstein (CSU-Fraktionsvorsitzender), Otto Heimbucher (CSU-Umweltexperte), Eva Schreiner (Klimacamp) und Markus Feuerlein (Klimacamp).

© Roland Fengler Von links nach rechts: Andreas Krieglstein (CSU-Fraktionsvorsitzender), Otto Heimbucher (CSU-Umweltexperte), Eva Schreiner (Klimacamp) und Markus Feuerlein (Klimacamp).

"Wir bleiben, bis ihr handelt": Seit über einem Jahr protestiert das Nürnberger Klimacamp am Sebalder Platz, in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und dem Stadtrat. Dessen größte Fraktion, die CSU, hält die Botschaft des Camps nun für "durchkommuniziert". Sie appelliert an die Aktivistinnen und Aktivisten, sich einen neuen Standort zu suchen. Grund genug für unsere Redaktion, beide Seiten zu einem Streitgespräch einzuladen. Für die CSU nahmen der Fraktionschef Andreas Krieglstein sowie der Umweltexperte Otto Heimbucher teil, für das Klimacamp Markus Feuerlein und Eva Schreiner. Die spannendsten Momente veröffentlichen wir in einer vierteiligen Serie, denn die Klimakrise ist Top-Thema. Zumindest darin waren sich Camp und CSU einig...

Eva Schreiner (Klimacamp): Das Klimacamp fordert den sofortigen Ausbaustopp des Frankenschnellwegs.

Andreas Krieglstein (CSU): Wir haben das Thema Frankenschnellweg seit 30 Jahren auf der Agenda. Seit 30 Jahren gibt es jeden Tag einen Stau, der maximal belastend ist für unser Klima und für die Anwohner.

Schreiner: Also brauchen wir weniger Autos.

Krieglstein: Diese 60.000 Autos, die es dort täglich gibt, kann man nicht von heute auf morgen einfach wegzaubern.

Schreiner: Und in über 10 Jahren, wird es die dann noch geben? So lange wird der Frankenschnellweg ausgebaut, und so lange wird es ohnehin einen Stau geben. Wenn wir den Frankenschnellweg ausbauen, dann gehen wir davon aus, dass in zehn Jahren immer noch ein kreuzungsfreier Frankenschnellweg gebraucht wird, also dass immer noch mehr Platz für Autos gebraucht wird. Damit diese 60.000 Autos, die jetzt im Stau stehen, dort Platz haben können.

Krieglstein: Wir werden es nicht schaffen, diesen Verkehr dort an den Rampen zu verhindern, denn er ist ein Ziel- und Quellverkehr. Deswegen ist es notwendig, eine Lösung herbeizuführen. Der Frankenschnellweg war ein Top-Thema im Kommunalwahlkampf. Und die beiden Parteien, die sich für das Projekt kreuzungsfreier Frankenschnellweg ausgesprochen haben, nämlich CSU und SPD, haben von der Bevölkerung in dieser Frage Rückendeckung bekommen: Ja, bitte baut dieses Projekt. Deswegen kann ich nicht akzeptieren, dass Sie sagen: Wir bleiben so lange am Sebalder Platz, bis die CSU oder das Rathaus entschieden hat, dass der Frankenschnellweg nicht gebaut wird. Das wäre keine Lösung.

Schreiner: Natürlich, der Ausbaustopp wäre Teil einer systemischen Lösung, die wir brauchen. Was Sie sagen, ist für mich eine Kapitulation der Politik vor dem motorisierten Individualverkehr. Sogar in Ihrem eigenen Klimaschutzfahrplan, der nicht ausreichend ist, steht: Wir brauchen weniger Autos.

Krieglstein: Richtig.

Schreiner: Aber wenn Sie sagen, die Autos am Frankenschnellweg verschwinden nicht, dann haben Sie aufgegeben, eine klimagerechte Mobilitätswende einzuleiten. Und dann muss ich sagen: Die Politik verschläft etwas.

Krieglstein: Was ich nicht akzeptieren kann: Dass man uns Mutlosigkeit vorwirft. Im vergangenen Jahr gab es in Nürnberg 300.000 zugelassene Kfz. Es ist für mich ein trauriger Höchststand. Warum? Weil die meisten Fahrzeuge im Jahresdurchschnitt 23 Stunden und 30 Minuten am Tag nicht bewegt werden. Trotzdem binden diese Autos Ressourcen, nicht nur in der Produktion, sondern auch im öffentlichen Raum. Dessen sind wir uns bewusst, der reine Umstieg auf E-Mobilität wird dieses Problem nicht lösen. Deswegen brauchen wir Angebote, die zum Beispiel den ÖPNV attraktiver machen. Diese Maßnahmen werden umgesetzt. Und dann glaube ich, dass wir irgendwann in der Situation sind, dass wir keine 300.000 Autos mehr in der Stadt haben.

"Aber warum baut man dann diesen Frankenschnellweg aus?"

Markus Feuerlein (Klimacamp): Aber warum baut man dann diesen Frankenschnellweg aus?

Krieglstein: Nochmal: Auch ich will keinen zusätzlichen Verkehr. Aber wir werden es nicht schaffen, dass der Verkehr, der momentan auf der A3, auf der A 73, auf der A9 und auf der A6 abgewickelt wird, entfällt. Und auch der Ziel- und Quellverkehr von oder nach Nürnberg, der ist mir lieber auf dem Frankenschnellweg als durch die Stadtviertel.

Feuerlein: Aber nicht im Auto. Das ist der Punkt: Der Bedarf an 60.000 PKW ist nicht da. Der Bedarf an Mobilität dieser vielleicht dann 65.000 Menschen ist da, und die kann man anders lösen. Wo ist der Mut, zu sagen: Lasst doch eine Busspur machen auf der A 73. Auf dieser Busspur können auch Taxis und Fahrgemeinschaften fahren von mindestens drei Menschen pro PKW. Damit könnte man die PKW-Anzahl reduzieren, und trotzdem dem Mobilitätsbedarf gerecht werden.

Krieglstein: Das ist auf jeden Fall ein interessanter Ansatz.

Feuerlein: Angelehnt an den Frankenschnellweg kann man außerdem die Forderungen nach der autofreien Innenstadt bringen. Wenn das umgesetzt würde, müsste automatisch ein besseres ÖPNV-Angebot sowie eine Preiserhöhung von Parkplätzen her. Das heißt, es würde zwingend dazu führen, dass Leute weniger Autos besitzen, weil es nicht mehr sinnhaft wäre. Das würde auch den Bedarf an Infrastrukturprojekten wie dem Frankenschnellweg reduzieren.

Krieglstein: Wenn man als Innenstadt das Gebiet innerhalb des Mittleren Rings versteht: Wie wollen wir diese Forderung als Stadtgesellschaft realisieren?

Feuerlein: Über städtische Carsharing-Angebote: Leute, die dort wohnen und arbeiten, haben einen Anspruch auf diese Fahrzeuge, die dann eben nicht 23 Stunden und 30 Minuten am Tag ungenutzt rumstehen. Zudem darf der ÖPNV natürlich reinfahren.

Krieglstein: Ganz offen: Wie soll die Kommunalpolitik das praktisch umsetzen? Mit einem Verbot?

Feuerlein: Natürlich. Das macht die CSU doch auch, wenn Windräder in der Nähe von Siedlungen verboten werden. Verbote sind doch kein No-Go.

Krieglstein: Die Stadt ist gar nicht berechtigt, ein Fahrverbot auszusprechen.

Feuerlein: Sie können Durchgangsverkehr einschränken und Lärmschutzmaßnahmen sowie Tempolimits initiieren. Damit können Sie sukzessive eine Situation herbeiführen, die einem Autoverbot nahekommt. Es geht darum, den Autoverkehr so unattraktiv machen, dass die Leute das Auto stehen lassen.

"Wir wollen nicht mehr Staus"

Krieglstein: Da unterscheiden wir uns fundamental. Das ist nicht das Ziel der CSU. Wir wollen nicht mehr Staus.

Feuerlein: Sie wollen dem Individuum weiterhin ein bequemes Leben ermöglichen. Ihr Anspruch ist es aber nicht, eine sinnhafte, effiziente und zweckmäßige Mobilität zu erreichen, die der Gesellschaft als Ganzes nutzen würde.

Krieglstein: Das ist unsachlich. Wir haben immer gesagt, dass wir den ÖPNV ausbauen, dass wir den Radverkehr ausbauen, dass wir auf die Fußgänger achten. Wir haben erst kürzlich beschlossen, dass wir in der Altstadt die Fußgängerzone ausweiten. Wir forcieren auch das Thema Grün weiter, es wird neue Baumstandorte geben, die Zahl der Parkplätze wird reduziert. Sie glauben gar nicht, was das für eine Diskussion war mit dem Einzelhandel, den Händlerverbänden und Hoteliers. Wir sind in der Zielsetzung nicht weit auseinander. Nur die Methodik ist eine andere.

Feuerlein: Aber die Zeit ist ein Faktor.

Otto Heimbucher (CSU): Wir haben auch Leute, die darauf angewiesen sind, ihr Fahrzeug zu nutzen.

Feuerlein: Die dürfen das natürlich weiterhin: Handwerker, behinderte Menschen, das ist alles selbstverständlich.

Schreiner: Wenn Sie sagen, Sie wollen nur Angebote schaffen, frage ich mich, wie das mit dem Klimaschutzfahrplan vereinbar ist. Darin steht: Der motorisierte Individualverkehr muss unattraktiver werden. Aber wie machen wir das, wenn wir gleichzeitig sagen: Oh nein, wir dürfen den Leuten nicht ihren Platz nehmen? Der Platzbedarf vom motorisierten Individualverkehr ist ja tatsächlich immens.

Krieglstein: Ein ganz konkretes Beispiel: Es gab bis vergangenes Jahr die Situation, dass viele Parkplätze in der Altstadt kostenlos waren. Die wurden stark frequentiert. Wir haben es als CSU geschafft, dass diese kostenlosen Parkplätze jetzt umgewandelt sind, was das Angebot für Autofahrer ein Stück weit unattraktiver macht. Das heißt, wenn jemand nach Nürnberg kommt, um einzukaufen, dann sollte er den ÖPNV nutzen oder das Parkhaus. Aber da muss er sich überlegen, ob er 12 Euro im Parkhaus bezahlt, oder nicht lieber das 365-Euro-Ticket nutzt.

Schreiner: Das es jetzt noch nicht gibt.

Krieglstein: Was wir aber schaffen werden.

Das war Teil vier des Streitgesprächs "Klimacamp vs. CSU". Hier geht es zu den anderen Episoden:

Teil eins zum Protest: "Oder sollen wir das Klimacamp im Stadtratssaal eröffnen?"

Teil zwei zu Klimazielen: "Es wäre uns auch lieber, wenn wir sagen könnten: Wir sind schon klimaneutral"

Teil drei zur Umsetzung: "Warum sollte ich mich auf ihre Politik verlassen?"

Hinweis: In einer früheren Version hieß es im Vorspann "Deutschland" anstelle von "Bayern". Für diesen falschen Bezug bitten wir um Entschuldigung.

Verwandte Themen


12 Kommentare