Nürnberger Hauptbahnhof: Digitale Pfandtonne soll Obdachlosen helfen
14.4.2021, 05:25 Uhr"Spende Dein Pfand" steht in großen Buchstaben auf der blauen Tonne, die seit Februar unterhalb der Rolltreppe in der Osthalle des Nürnberger Hauptbahnhofs zu finden ist. Dabei handelt es sich keineswegs um einen gewöhnlichen Abfalleimer. Hier sollen nur Flaschen auf Plastik und Glas sowie Dosen eingeworfen werden, auf die es Pfand gibt. Außerdem steckt jede Menge Technik in der digitalen Tonne. Sie ist unter anderem mit einem Sensor ausgestattet, der die Füllmenge ermittelt.
Sobald der vorgegebene Füllstand erreicht ist, erhalten die Pfandbeauftragten des Sozialmagazins Straßenkreuzer eine E-Mail. Das erleichtert die Logistik, wenn es darum geht, an welcher Stelle zuerst geleert werden soll. Denn die Tonne im Hauptbahnhof soll längst nicht die letzte ihrer Art sein.
Am Airport Nürnberg gibt es die Aktion schon länger, dort allerdings noch mit rein analogen Tonnen. Wer kurz vor dem Sicherheitscheck noch eine Flasche loswerden muss, kann sie seit 2019 bequem in extra aufgestellte Behälter werfen. Was sonst im Müll landen würde, ist für den Straßenkreuzer, der mit dem Flughafen und dem Recyclingunternehmen "Der Grüne Punkt“ Hand in Hand arbeitet, bares Geld.
"Doch dann kam Corona"
"Das hat super funktioniert", sagt Ilse Weiß, die Chefredakteurin des Straßenkreuzers, "doch dann kam Corona." Durch die vielen gestrichenen Flüge blieben auch die Touristen und Geschäftsreisenden aus, die die Behälter sonst innerhalb kürzester Zeit füllten. Mit der digitalen Tonne im Hauptbahnhof hofft Weiß nun auch auf neue Einnahmen. Denn 100 Prozent der Pfandbeträge erhält der Straßenkreuzer. Der wiederum verschafft Obdachlosen und Arbeitslosen einen Job als Pfandbeauftragte.
Klaus Billmeyer ist einer von ihnen. Er strahlt, als er von seiner Anstellung erzählt. Zehn Jahre lang lebte er auf der Straße, verkaufte selbst die Obdachlosenzeitung Straßenkreuzer und hätte auf dem ersten Arbeitsmarkt wohl kaum eine Chance, wie er selbst sagt. Nun kümmert er sich hauptberuflich darum, dass die Tonne rechtzeitig geleert, gesäubert und in Schuss gehalten wird.
Mit dem Projekt möchte man auf keinen Fall den Sammlern in die Quere kommen, die auf Pfand angewiesen sind, betont Ilse Weiß. Im Hauptbahnhof sei das Sammeln aber ohnehin nicht erlaubt. Künftig möchte der Straßenkreuzer laut Weiß durchaus Profis außerhalb des momentanen Teams einen Job anbieten, sofern es die Pfanderträge zulassen.
Die digitalen Tonnen bringen nicht nur Jobs, sondern schonen auch die Umwelt, betont Christian Overweg. Er ist der Initiator des Pfandnetzwerks, das sich neben der Planung und Konstruktion auch um die Koordination der Lieferanten und den Zusammenbau kümmert. Damit ist es für die gesamte Herstellung der Pfandtonnen bis zur Auslieferung und den Ausbau verantwortlich. Als er vom "Spende Dein Pfand"-Projekt am Flughafen gehört hat, machte sich Overweg sofort Gedanken, wie man es weiter professionalisieren könnte, und suchte sich Partner.
Im Dezember 2020 startete der Testlauf im Franken-Center, seit Februar läuft nun die Pilotphase am Nürnberger Hauptbahnhof. "Das funktioniert wunderbar", freut sich Overweg. Noch können die Löhne nicht durch die Erträge der Tonnen gedeckt werden. Doch das Projekt soll die nötige Zeit erhalten. Weitere Tonnen sollen in Absprache mit der Stadt Nürnberg zum Beispiel an Freibädern aufgestellt werden. Damit soll aber längst nicht Schluss sein. Overweg möchte das Pfandnetzwerk künftig deutschlandweit auch in weiteren Regionen etablieren.
Weitere Infos finden Sie unter www.pfandnetzwerk.de
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