Silbersee in Nürnberg: Die unsichtbare Gefahr

16.9.2020, 16:37 Uhr
Bei einer geplanten Aktion wurden von einem Sondereinsatzkommando der Feuerwehr Proben aus dem stark belasteten See entnommen. Das ganze Geschah nach einem Antrag der Grünen, die Klarheit über den aktuellen Zustand des Gewässers wollen.

© Rurik Schnackig Bei einer geplanten Aktion wurden von einem Sondereinsatzkommando der Feuerwehr Proben aus dem stark belasteten See entnommen. Das ganze Geschah nach einem Antrag der Grünen, die Klarheit über den aktuellen Zustand des Gewässers wollen.

„Große Aufregung bei den Tauchern der Berufsfeuerwehr.“ Würde man den Beginn des Einsatzes mit diesem Satz beschreiben, wäre der Widerspruch dieser Männer garantiert. Zu Recht. Denn was hier morgens am Ufer des legendären Silbersee abläuft, ist für die Tauch-Truppe reine Routine. Fast. Denn bei aller Lockerheit und dem Wissen um sämtliche Schutzmaßnahmen nebst der erforderlichen Erfahrung, haben sie es heute doch mit einem besonderen Gewässer zu tun. Und so ist die Stimmung zwar entspannt – aber, das geben die Taucher zu, Respekt vor diesem See ist durchaus angebracht.


Der Nürnberger Silbersee ist immer noch giftig


Denn auch wenn das Wasser an der Einsatzstelle verlockend glitzert, weiß jeder Nürnberger, was es mit dem Silbersee auf sich hat. Zusätzlich zeigen mit Totenkopf versehene Tafeln an, dass der Schwimmer hier sein Leben aufs Spiel setzt.

Bekanntlich wurde während der NS-Zeit die hufeisenförmige Fläche des heutigen Silbersees für das geplante „Deutsche Stadion“ ausgehoben. Im Laufe der Zeit füllte sich die Grube mit Grundwasser und die benachbarte Altdeponie Silberbuck brachte Stoffe in die Grube, die ihr heute den Titel „stark toxisch“ verleiht: Kampfstoffe aus dem Zweiten Weltkrieg, Abfälle aus der Pharma-, Mineralöl- und Metallindustrie vermengten sich zu einem hochgefährlichen Giftcocktail.

Beißender Geruch in der Nase

Schwefelwasserstoff - auch der Laie hat eine Chance diese Verbindung zu erkennen. „Riecht nach faulen Eiern oder so wie Stinkbomben“, sagt Alexander Heinel vom Umweltamt der Stadt Nürnberg. Beim Schwimmmen kann diese Schicht nach oben gelangen und dem Badenden das Bewusstsein rauben. 50 Menschen sollen auf diese Weise schon am Silbersee ihr Leben gelassen haben.

Gerade haben die beiden Taucher einen Eimer mit dem übelriechenden Inhalt vom Boden des Sees geholt. Acht Meter waren sie in der Tiefe. Über ein Seil bleiben sie in Verbindung mit den Kollegen am Rand. „Falls der Taucher irgendwo festhängt, können wir ihn rausziehen“, erklärt Feuerwehrsprecher Sebastian Kahl. Außerdem ist das Seil zugleich ein heißer Draht. Kahl: „Sowohl die beiden Taucher als auch der Kollege am Ufer sind über ein Tauchertelefon miteinander verbunden und können kommunizieren.“

Für die Feuerwehrleute ist der Einsatz zugleich eine Übung. Es ist nicht das erste mal, dass sie dem Silbersee auf den Grund gehen. Bei einem dieser Tauchgänge haben sie schon mal einen Alpha Romeo Giulia gefunden, TÜV ist 1973 abgelaufen. Bergen lässt sich der Klassiker nicht, ohnehin würde er dabei in seine italienischen Einzelteile zerfallen.

Christbäume neben Einkaufswagen

Heute berichten die Taucher von einigen Christbäumen, die sie am Grund gesehen haben. „Wer entsorgt die hier?“, fragen sie und sparen sich die Verwunderung über die Einkaufswagen, die daneben liegen. Zu verdanken haben sie ihren heutigen Einsatz den Grünen im Stadtrat. Als ihr Vertreter ist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Marc Schüller mit vor Ort.

Die Grünen wollen genau wissen, was der aktuelle Stand des Silbersees ist. „Wir brauchen genaue Daten zu diesem Erbe“, sagt Schüller. „Nicht, dass es sich hier um eine tickende Zeitbombe handelt.“ Außerdem soll geklärt werden, ob die Warnschilder in dieser Form noch ausreichen.

Proben aus dem Gewässer werden zwar jährlich, wie in der Grundwasserverordnung vorgeschrieben, entnommen, sagt Heinel. Doch eine genaue Analyse ermögliche nur die tiefendifferenzierte Beprobung. Schon ist das Feuerwehrboot in der Mitte des Sees. Auch dort wird Material gesammelt.

Die Auswertung dauert Wochen

Die Entnahmen sind verladen und kommen direkt ins Labor. Bis man genaues weiß, werden einige Wochen vergehen. Im Dezember will man im Umweltausschuss das weitere Vorgehen besprechen.

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