So fasste die Polizei den mutmaßlichen Messerstecher

17.12.2018, 05:50 Uhr

Er spaziert die Schnieglinger Straße entlang. Es ist Freitag, 14. Dezember. Auf Höhe der Dr. Theo-Schöller-Grundschule, noch vor der Kreuzung mit dem Nordwestring, fällt der Mann um 9.49 Uhr einer Polizeistreife auf. Im Kopf haben die Beamten der Inspektion Nürnberg-West eine Täter-Beschreibung: Gesucht wird eine männliche Person, mittelblonde Haare, etwa 30 Jahre alt, 1,75 bis 1,80 groß, helle Hautfarbe, normale Figur. Die Streife hält an und spricht den Mann an.

Wie sich dann herausstellt, hat der 38-Jährige bereits am Vortag versucht, in einem Geschäft in der Nähe des Plärrers ein gebogenes Käsemesser für 4,88 Euro zu stehlen. Das berichtet Polizeipräsident Roman Fertinger bei einer Pressekonferenz am Sonntag. Der Mann, ein gebürtiger Thüringer, wurde in dem Laden aber geschnappt, das Messer wurde dem Inhaber zurückgegeben. "Es gab zu diesem Zeitpunkt am Donnerstag keinen Anlass, den Mann festzuhalten oder gar in U-Haft zu nehmen. Der Ladendieb hatte einen deutschen Pass mit einer Berliner Anschrift bei sich", sagt Fertinger.

Großes Entsetzen über die Taten

Doch am Freitagvormittag an der Schnieglinger Straße sieht die Sache plötzlich ganz anders aus. Denn am Donnerstagabend, etwa zwei Stunden nach dem versuchten Diebstahl eines Käsemessers, hat in diesem Stadtteil, Nürnberg-St. Johannis, ein Mann auf brutale Art und Weise drei Frauen niedergestochen und sie dabei lebensgefährlich verletzt. Weit über die Stadtgrenze hinaus war das Entsetzen über diese Taten groß.

Die Streife an der Schnieglinger Straße ist sensibilisiert und hat nun einen Mann, der verdächtig erscheint, der etwas mit den brutalen Attacken zu tun haben könnte. Sie durchsuchen den Verdächtigen, der keine schlüssigen Angaben macht, wohin er geht, woher er kommt und wo er wohnt.


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Bei ihm findet die Streife ein anderes Messer. Blutverschmiert. Auch an seiner Jacke sind Blutspritzer. Woher der 38-Jährige das am Freitag mitgeführte Messer mit einer Klingenlänge von 14 Zentimeter hatte, ist bis heute noch nicht geklärt. Unklar ist bis dato auch, welches Motiv er für die heimtückischen Angriffe gehabt haben könnte, denn der Thüringer schweigt.

Am Sonntag legt sich Polizeipräsident Fertinger aber fest: "Für St. Johannis gilt eine klare Entwarnung. Nach unserer Auffassung ist das der Täter." Thilo Bachmann, Leiter des Kriminalfachdezernats 1, ergänzt: "Es hat einen DNA-Abgleich gegeben. Die Blutspuren auf der Tatwaffe sowie auf der Kleidung des Verdächtigen ergeben Rückschlüsse auf die Tat."

Veraltete Meldeadresse

Ermittlungsergebnisse, die es am Freitag aber noch nicht geben konnte. Die beiden Streifenbeamten an der Schnieglinger Straße stellen fest, dass die Angaben über die Meldeadresse im Ausweis des 38-Jährigen veraltet sind und nicht mehr stimmen. Der Mann ist wohnsitzlos und jetzt verdächtig, mit den drei Messerattacken vom Donnerstagabend etwas zu tun zu haben. Die Hinweise und der versuchte Ladendiebstahl reichen den Ermittlern, um den Thüringer in Gewahrsam zu nehmen, zunächst nur wegen Diebstahls (Käsemesser), wie Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke sagte.


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Weitere Überprüfungen ergaben: Der 38-Jährige ist kein unbeschriebenes Blatt. "Er hat einen regelrechten Spaziergang durch das Strafgesetzbuch hinter sich", sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. 18 Vorverurteilungen weist sein Strafregister auf, darunter Bandendiebstahl, Körperverletzung, Brandstiftung, Beleidigung, Betrug und eine Vergewaltigung bereits im Jahr 2002. Auch in Nürnberg sei er 2005 schon einmal verurteilt worden.

Die Schlinge um den Thüringer zog sich immer enger. Dennoch fehlte bis Samstagmittag das entscheidende Puzzlestück, das die Lücke zwischen dem 38-Jährigen und den Messerattacken schließt. Spezialisten des Bayerischen Landeskriminalamtes arbeiteten im Hintergrund auf Hochtouren, um den Nachweis mit Hilfe der Spurenlage (Blut an der Kleidung und am Messer) zu erbringen.

Bis dahin hält die Polizei den Ermittlungsdruck und die Polizeipräsenz im Stadtteil sehr hoch. Freitag und Samstag streifen Beamte der Bereitschaftspolizei (BePo) durch St. Johannis, suchen nach der Tatwaffe, stochern mit Stöcken im Boden der Grünanlagen, sogar der Johannisfriedhof wurde durchsucht. Diensthundeführer und ein Hubschrauber waren im Einsatz. "Die Polizeipräsenz war hoch, auch, um der Bevölkerung Sicherheit zu vermitteln", sagt Fertinger. Mit der BePo, der Inspektion West, den operativen Kräften, dem Kriminaldauerdienst und schließlich mit der 40-köpfigen Soko "Johannis" waren insgesamt mehr als 300 Polizeibeamte im Einsatz. "Durch die starke Medienpräsenz gingen bei uns mehr als 200 Hinweise ein, darunter auch sehr brauchbare", erläutert Dezernatsleiter Thilo Bachmann.

"Wir hielten die ganzen Maßnahmen aufrecht, um uns nicht dem Vorwurf auszusetzen, nicht entschieden genug daran zu arbeiten", fährt Fertinger fort. Am Samstag um 18.55 Uhr schneite schließlich die Pressemeldung der Polizei in die Redaktionen: Das fehlende Puzzlestück, das Ergebnis eines DNA-Abgleichs, bestätigte, dass das Blut an der Jacke des Festgenommenen und am Messer von einer der drei Frauen stammt, die auf offener Straße niedergestochen wurden. "Jetzt sitzt der Mann wegen des Verdachts auf Mordversuch in drei Fällen in Untersuchungshaft."

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lässt es sich nicht nehmen, Sonntagmittag der Pressekonferenz beizuwohnen. Der Politiker zeigt sich über den "schnellen Fahndungserfolg" erfreut. "Ich wünsche den drei Opfern, die noch im Krankenhaus liegen, herzliche Genesungswünsche." Dass sie überleben, sei nicht selbstverständlich gewesen.

Die Karte zeigt, wo sich die Attacken in der Nacht auf Freitag ereigneten. Falls Ihnen die Karte nicht angezeigt wird, klicken Sie bitte hier. 

 

 

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