Vernichtender Report: Warum Nürnberg nicht Kulturhauptstadt wurde

Birgit Ruf

Feuilleton Nürnberger Nachrichten

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28.11.2020, 16:32 Uhr
Kurz nach der Verkündung des Titels für Chemnitz, postulierte Nürnberg an der Rathausfassade: "Wir bleiben eine Kulturstadt". Jetzt muss die Stadt erstmal ihr "Abschlusszeugnis" der Bewerbungsjury zur Kenntnis nehmen.

Kurz nach der Verkündung des Titels für Chemnitz, postulierte Nürnberg an der Rathausfassade: "Wir bleiben eine Kulturstadt". Jetzt muss die Stadt erstmal ihr "Abschlusszeugnis" der Bewerbungsjury zur Kenntnis nehmen.

Ein miserables Zeugnis stellt die Kulturhauptstadt-Jury Nürnberg aus: Zu wenig Europa, zu wenig Dialog mit anderen Partnern, zu schwammiges Vermittlungsprogramm – und zu wenig Personal im angestrebten Kulturhauptstadtjahr sind einige der Kritikpunkte.

Im Prinzip, so die Jury, sei es ja erfreulich, dass Nürnberg die Metropolregion mit 41 Orten ins Boot geholt hat; sie ist aber der Meinung, es sei unklar, wie genau die Kooperation zwischen Stadt und Umland funktionieren soll.


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Positiv bewerten die zwölf internationalen Juroren Nürnbergs Vorhaben, neue Räume für die Kultur- und Kreativwirtschaft wie etwa in der Alten Feuerwache einzurichten, monieren aber, dass die Raumkonzepte sich nicht auch auf andere Bereiche als den kulturellen beziehen und nicht dahingehend ausgearbeitet wurden.

Grundsätzlich findet die Jury die Nürnberger Themen Menschlichkeit, Miteinander und Spiel gut, aber nicht gut gemacht in der Bewerbung. "Zu generelle Aussagen" werden kritisiert. Das Thema Menschlichkeit sei zu wenig verquickt mit dem Völkerrecht. Da liegt, so die Jury, keine tragende Basis vor für einen breiteren Dialog mit anderen Partnern.

Die Jury begrüßt die Idee für einen neuen Umgang mit dem Reichsparteitagsgelände und der Kongresshalle, moniert aber, dass ein partizipatorischer Ansatz fehle. Der funktioniert laut Jury beim Thema Spiel besser. Dafür hapere es dort bei den Projektbeschreibungen an Informationen zu Budget und Zeitplänen, die Größe und Bedeutung der Vorhaben ermessen lassen.

Gut kommt Nürnberg bei der Beurteilung der Finanzen, der Infrastruktur und des Managements weg. Die Jury hält die Betriebspläne von Veranstaltungsorten aber für unterentwickelt.

Lob gibt es für den Kontakt mit Schulen und die "Kinderkulturhauptstadt", die Universitäten dagegen seien unterbelichtet. Nicht klar wurde dem Gremium, wie die Stadtentwicklung mit der geplanten Besucherentwicklung der Kulturhauptstadt verbunden sein soll. Überhaupt seien Nürnbergs allgemeine strategische Ziele zu wenig von denen der Kulturhauptstadt getrennt.

Eine Rüge fängt sich Nürnberg ausgerechnet mit seiner Personalplanung ein. 35 feste Mitarbeiter im Bewerbungsbüro waren bis 2025 vorgesehen. "Zu wenig" sagt die Jury. Auch an eine große öffentliche Wirkung der dargestellten Kulturhauptstadt-Aktivitäten glaubt sie nicht: "Betrachtet man Marketing und Kommunikation, so ist ihre Effizienz, ein größeres internationales Publikum anzusprechen, nicht überzeugend", heißt es. Und das trotz des von der Jury im Allgemeinen als gut und passend empfundenen Nürnberger Bewerbungsmottos "Past Forward".


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Die europäischen Botschaften, die Nürnberg aussenden möchte, sind der Jury zu kompliziert. Den Experten erschließt sich nicht, was die Stadt dem Rest Europas geben kann. Das Vermittlungsprogramm sei unzureichend ausgeführt, das lokale und regionale Vermächtnis nicht klar genug ausgearbeitet.

Auch die drei anderen unterlegenen Städte bekommen ein schlechtes Zeugnis: Hildesheim hat demnach eine zu schwache europäische Vision, Hannover fehlt ein "klares, aufregendes und einzigartiges Narrativ" und Magdeburgs künstlerische Vision ist zu schwach.
Der ganze Report: www.kulturstiftung.de

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