Kulturhauptstadt 2025: Kein Happy-End für Nürnberg
28.10.2020, 19:57 UhrGlückwunsch nach Chemnitz. Die Sachsen werden 2025 Kulturhauptstadt Europas sein. Sie galten als einer der Favoriten, weil der Bedarf an Stadtentwicklung von allen beteiligten Städten am größten ist. Nach den ausländerfeindlichen Ausschreitungen im Sommer 2018 haben sich die Sachsen aufgemacht und im Bewerbungsverfahren um den Titel Kulturhauptstadt Europas gezeigt, wie mit kulturellen Mitteln sich das Miteinander in Chemnitz verbessern soll. Chemnitz hat auch die Kritik an seinem ersten Bewerbungsbuch aufgenommen und konnte in der zweiten Stufe des Wettbewerbs inhaltlich noch einmal nachlegen. Auch die Bevölkerung hat große Anteilnahme an dem Bewerbungsprozess gezeigt.
Nürnberg scheitert: Chemnitz wird Kulturhauptstadt 2025
Schade, dass es Nürnberg nicht geschafft hat. Die Stadt und ihre Bevölkerung hätten es verdient, sich mit allen ihren kulturellen Facetten der Welt zu präsentieren. Die Enttäuschung ist groß, denn Nürnberg hätte alle Kriterien des Wettbewerbs erfüllt. Alle Beteiligten haben zusammen mit dem Bewerbungsbüro in den vergangenen zweieinhalb Jahren einen sehr guten Job gemacht. Auch hier ein Glückwunsch! Es hat aber nicht gereicht. Warum es nicht geklappt hat, darüber werden neben Nürnberg auch die anderen noch im Verfahren übriggebliebenen Städte Hannover, Hildesheim und Magdeburg Ursachenforschung betreiben. Alle Bewerbungen waren gut.
Politisch spannend waren aber nur Chemnitz und Nürnberg. Chemnitz setzt auf ein kulturelles Miteinander gegen Ausländerfeindlichkeit und bindet mit einigen originellen Aktionen wie der Apfelbaumparade und der Öffnung von 3000 Garagen die breite Bevölkerung ein. Nürnbergs Bewerbung war sehr abstrakt und hat das vielfältige Miteinander in der Stadt zum Thema. Inhaltlicher Schwerpunkt war aber der künftige Umgang mit dem Reichsparteitagsgelände.
Chemnitz wird Kulturhauptstadt: Die Entscheidung zum Nachlesen
Der riesige architektonische Brocken erdrückte fast die anderen guten Ansätze und Konzepte in der Bewerbung. Auch wenn fast die Hälfte der Nürnberger Einwohner inzwischen migrantische Wurzeln hat, so wird Nürnberg international doch immer noch als Stadt der Reichsparteitage und der Nürnberger Gesetze wahrgenommen. Nürnberg als Wiege des Völkerstrafrechts hätte stärker in den Mittelpunkt gestellt werden müssen. 2025 ist es 80 Jahre her, dass der von Deutschland aktiv betriebene Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen ist und dann Nürnberg als Kulturhauptstadt mit Bildern vom Reichsparteitagsgelände in ganz Europa? Hätte die Kultur so viel Kraft gehabt, damit einen Weg in die Zukunft zu weisen? Leider werden wir es nicht wissen.
Pech für Nürnberg
Pech war für Nürnberg sicherlich auch, dass die zwölfköpfige Jury wegen Corona die Stadt nicht besuchen und sich vor Ort umsehen konnte, welchen Bedarf Nürnberg hat. Angeblich kannten von den zwölf Juroren zehn Nürnberg nicht. Pech.
Hätten genauere Kenntnisse vor Ort an der Entscheidung der Jury etwas geändert? Wäre es besser gewesen, das Bewerbungsbuch nicht mit ganz so viel intellektueller Kost aufzuladen, wenn es dann doch mit der Riefenstahl-Aktion und den gezielten Provokationen von Jonathan Meese wieder sehr banal wird? Wir wissen es nicht, aber das Chemnitzer Buch war jedenfalls leichter zu lesen. Wichtig ist, dass Nürnberg seine formulierte Kulturstrategie weiter verfolgt. Die Umsetzung wird länger dauern, denn Nürnberg hätte mit 30 Millionen an Eigenmitteln 50 Millionen Euro an zusätzlichen Geldern in die Stadt geholt.