"Ich bin einfach Mensch"
Während Münchner EM-Spiel: Nürnberger Dragqueen mit Regenbogen-Aktion
24.6.2021, 21:07 UhrZoey, wie spontan war der Entschluss, am Mittwoch zum Stadion zu fahren?
Zoey Rachel Pride: Sehr spontan! Ich wusste am Morgen noch nicht, dass ich am Abend hinfahre.
Was hat den Anstoß dazu gegeben?
Zoey: Ich wollte ein Zeichen setzen gegen Menschenrechtsverachtung. Menschen, die ihre Identität erst finden müssen, Informationen zu verweigern, das geht doch einfach nicht. (Ungarn hat ein Gesetz erlassen, das die mediale Darstellung von Homo- und Transsexualität gegenüber Minderjährigen verbietet, Anm. d. Red.) Als ich erfahren habe, dass Regenbogenfahnen vor dem Stadion verteilt werden, wollte ich die Leute unterstützen. Und auch die Menschen in Ungarn oder Russland – die ganze LGBTIQ-Szene weltweit.
Kommentar: Rote Karte für den Regenbogen
Wie war die Stimmung vor Ort?
Zoey: Super! Wir haben demonstriert, wir haben Flaggen verteilt, ein Zeichen gesetzt.
Gab es auch negative Reaktionen?
Zoey: Ich persönlich habe keine erfahren. Höchstens, dass mal jemand gesagt hat: "Die Regenbogenfahne könnt ihr behalten." Ein Kollege hat aber gesagt, dass er beschimpft und bespuckt wurde. Aber überwiegend waren die Reaktionen positiv.
Sie hatten eine mächtige Perücke auf. Wie arg haben Sie darunter geschwitzt?
Zoey: Es ging! (lacht) Beim CSD ist es oft schlimmer. Es war dann eher kompliziert, im Regen einen Platz zum Unterstellen zu finden.
Ihre Dragqueen-Figur heißt Zoey Rachel Pride. Sie tragen bunte Perücken und Kleider. Seit wann treten Sie so auf?
Zoey: Ich habe mich als Kind schon gern verkleidet. 2014 habe ich mich das erste Mal zu Fasching als Conchita Wurst kostümiert. Dann habe ich die Figur immer weiterentwickelt.
Haben sich die Reaktionen darauf in den letzten Jahren verändert?
Zoey: In Nürnberg ist es schon besser geworden. Aber es ist noch Luft nach oben.
Wie definieren Sie sich jenseits Ihrer Rolle als Dragqueen?
Zoey: Ich bin ein nicht-binärer Mensch. Das bedeutet, dass ich mich geschlechtlich weder als Mann noch als Frau betrachte. Ich bin einfach Mensch.
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Wie sind Sie dann unterwegs?
Zoey: Ich habe meistens einen Rock und High Heels an und ein T-Shirt, auf dem "100 Prozent Mensch" oder ein anderer LGBTIQ-Spruch steht. Statt einer Perücke trage ich meine eigenen Haare: einen pinkfarbenen Iro.
Auch nicht gerade unauffällig...
Zoey: Ja, da kommt schon mal der ein oder andere böse Spruch. Aber das ignoriert man und geht stolzen Hauptes weiter.
Wie geht Ihre Familie damit um?
Zoey: Ich war oder bin immer noch Pflegekind. Meine Pflege-Schwester hatte sich als lesbisch geoutet und den Weg damit schon ein bisschen frei gemacht. Meiner Mutter habe ich damals einen Brief geschrieben. Sie dachte erst, ich will sie veräppeln. Aber jetzt geht sie locker damit um.
Die Regenbogen-Aktion hat eine riesige Welle geschlagen. Glauben Sie, dass das nachhaltig etwas verändern kann?
Zoey: Ich hoffe, dass es nicht nur "Pinkwashing" ist (Nur vorzugeben, sich für die LGBTIQ-Rechte einzusetzen, als Marketing-Strategie, Anm. d. Red.), ein Trend, bei dem jeder mitschwimmt. Ich hoffe, dass es sich etabliert und die Leute darüber nachdenken.
Eine ganz andere Frage noch: Deutschland gegen England, was tippen Sie?
Zoey: O Gott, ich hab von Fußball null Ahnung! Aber ich sag mal, Deutschland gewinnt.
Zur Person:
Zoey Rachel Pride (24) ist eine Nürnberger Dragqueen, gebürtig aus Bayreuth und ausgebildete Altenpflege-Fachkraft. Sie definiert sich jenseits der Kunstrolle als nicht-binärer Mensch. 2017 wurde sie zur "Miss CSD" gewählt. Mit Luca Fabien Dotzler zusammen bespielt Zoey den YouTube-Kanal "Drag-Darlings".