Fall 22 von "Freude für alle"

Wenn das Jobcenter vom Arbeiten abrät: HIV-Positiver aus Nürnberg erzählt von seinen Erfahrungen

Max Söllner

Redaktion Neumarkt und "Freude für alle"

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4.12.2024, 17:00 Uhr
1997 erhielt der Nürnberger Sven Z. die Diagnose, dass er HIV-positiv ist. Die rote Schlaufe gilt weltweit als Symbol der Solidarität mit an dem Virus sowie an Aids erkrankten Menschen (Symbolfoto).

© Arne Dedert/picture alliance / dpa 1997 erhielt der Nürnberger Sven Z. die Diagnose, dass er HIV-positiv ist. Die rote Schlaufe gilt weltweit als Symbol der Solidarität mit an dem Virus sowie an Aids erkrankten Menschen (Symbolfoto).

Natürlich habe er darüber nachgedacht, sagt Sven Z. (Name geändert), aber vorstellbar sei es für ihn nicht gewesen. Dann kam das Jahr 1997 und der positive HIV-Test. Eine Nachricht, die sein Leben für immer veränderte. "Bumm", wie der heute 58-jährige Nürnberger sagt.

Er war damals Anfang 30 und arbeitete in einer fränkischen Kleinstadt im Einzelhandel. Von seiner Ex-Frau hatte er sich getrennt, das Verhältnis war trotzdem gut, auch zum gemeinsamen Sohn.

"Hit the virus hard and early"

Sein Hausarzt, der ihm zum HIV-Test riet, verwies ihn an ein regionales Krankenhaus. Von dort aus vermittelte man ihn sofort an Spezialistinnen und Spezialisten des Erlanger Universitätsklinikums weiter als das Ergebnis da war. "Hit the virus hard and early", lautete eine Ende der 1990er recht neue Strategie im Umgang mit HIV, das unbehandelt die lebensbedrohliche Krankheit Aids auslösen kann.

Das Virus hart und früh treffen: Für Z. gab es keine Zeit zu verlieren und einen massiven Medikamentencocktail. Er musste täglich 23 Tabletten schlucken und anfangs über Nacht im Krankenhaus bleiben - wegen der Nebenwirkungen. Gelohnt hat es sich: Seine Werte sind bis heute unter der Nachweisgrenze.

Wegen HIV-Diagnose: Z. hatte Todesangst

Ganz anders entwickelte sich sein psychischer Zustand. "Ich bin in ein riesiges Loch gefallen", erinnert sich der Mann. Wie soll es mit ihm weitergehen? Der für ihn zuständige Sozialpädagoge der Aidshilfe Nürnberg-Erlangen-Fürth kontextualisiert: Ärztinnen und Ärzte seien damals von zehn bis 15 Jahren Restlebensdauer ausgegangen.

Z. hatte Todesangst, etwa als er im Urlaub am Strand einer Atlantikinsel eindöste. Was für andere Entspannung pur ist, löste in ihm ein heftiges Kopfkino aus: "Und wenn ich jetzt nicht aufwache? Wie würde ich hier in einem fremden Land behandelt werden?"

Er war mit seinem damaligen Partner und seinem Sohn verreist. Ersterer wusste natürlich von der HIV-Diagnose, sein zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre altes Kind noch nicht. Als Z. es seiner Familie sagte, habe diese gut reagiert, wie schon bei seinem Outing als homosexuell. Auf Arbeit aber schluckte er seine vielen Tabletten heimlich. Wenn er neue brauchte, fuhr er ins weit entfernte Erlangen. Zwar habe es in seiner Kleinstadt Apotheken gegeben, doch dann hätten es früher oder später alle gewusst.

Über Umwege kam er nach Nürnberg

Auch weil er schon immer ein Großstadtmensch gewesen sei, zog Z. weg. Über Umwege kam er nach Nürnberg. Seelisch ging es ihm weiterhin schlecht, trotz eines Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik.

Z. wollte wieder arbeiten. Doch das Jobcenter habe ihm keinen Job vermitteln können, wie er erzählt. "Was soll ich ihnen anbieten, bei ihrer Erkrankung?", soll die für ihn zuständige Mitarbeiterin gefragt haben. "Am besten, sie reichen die Erwerbsunfähigkeitsrente ein." So tat er es vor rund 15 Jahren.

Dabei können HIV-Positive nahezu jedem Beruf nachgehen, das Virus ist im Alltag nicht übertragbar. "Es ist spannend, was die Menschen für eine Brille aufhaben", sagt der für Z. zuständige Sozialpädagoge von der Aidshilfe.

Permanente Schmerzen und ein Lichtblick

Inzwischen kann Z. wegen mehrerer Wirbelsäulenoperationen und einer Fußhebeschwäche tatsächlich nicht mehr arbeiten. Er muss permanent eine Schiene tragen und hat dauerhafte Schmerzen. Sein Schwerbehindertengrad beträgt 90 Prozent.

Über 20 Jahre wohnte Z. in Nürnberg in einer kleinen, stark renovierungsbedürftigen Wohnung im zweiten Stock ohne Aufzug. Auf der Treppe stürzte er zuletzt häufig, berichtet der Sozialpädagoge. Z. bliebt folglich oft zuhause - was sich wiederum auf seine Depressionen auswirkte. Die jahrelange, erfolglose Suche nach einer besseren Wohnung tat ihr Übriges dazu.

Nun gibt es einen Lichtblick: Z. hat eine Zusage erhalten. Was ihm noch fehlt ist unter anderem ein spezielles Bett, das zu seinen körperlichen Einschränkungen passt. Wegen Schulden und seinem geringen Einkommen aus Erwerbsunfähigkeitsrente plus Grundsicherung kann er sich das nicht leisten. "Freude für alle" bittet daher um Zuwendungen für den 58-Jährigen. Sachspenden kann die Weihnachtsaktion aus organisatorischen Gründen weder annehmen noch vermitteln.

So können Sie spenden

Die Spendenaktion „Freude für alle“ des Verlags Nürnberger Presse (VNP) unterstützt seit über 50 Jahren bedürftige Alleinstehende und Familien in unserer Region. Dafür stellen wir in der Vorweihnachtszeit beispielhafte Einzelschicksale vor. Helfen auch Sie mit einer Spende!

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Spendenquittungen stellen wir ab 300 Euro aus, bitte hierfür die vollständige Adresse hinterlassen.

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