Zu Semesterbeginn tropft es in der WiSo von der Decke

Christina Merkel

Hochschule & Wissenschaft

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14.10.2019, 06:00 Uhr
Am Montag werden hier im Hörsaal der WiSo in der Langen Gasse die neuen Studenten begrüßt. Mittendrin steht ein Bottich, der das Wasser auffängt, das durch die Decke tropft.

© Foto: Christina Merkel Am Montag werden hier im Hörsaal der WiSo in der Langen Gasse die neuen Studenten begrüßt. Mittendrin steht ein Bottich, der das Wasser auffängt, das durch die Decke tropft.

Alle zwei Sekunden fällt ein Wassertropfen von der Decke des Hörsaals in den schwarzen Bottich. Der Hausmeister hat ihn vor zwei Wochen aufgestellt. Als es stark regnete und niemand da war, lief die Wanne über. Der Teppich ist immer noch feucht. "Das ist unser neues Planschbecken", sagt eine Mitarbeiterin. "Wir sollten Badeenten zum Semesterbeginn verteilen." Mit Humor sind die Zustände besser zu ertragen.

Seit drei Jahren ist die WiSo, der Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, an der Uni in Nürnberg eine Baustelle. Die Gebäude an der Langen Gasse, im Nordosten der Altstadt, sind aus den 70er Jahren und der Brandschutz entspricht nicht mehr den heutigen Vorgaben. Inzwischen sehen viele Beteiligten ein, dass die Sanierung im laufenden Betrieb eine schlechte Idee war. Aber 6000 Studenten, 300 Mitarbeiter und knapp 50 Professoren lassen sich auch nicht so leicht irgendwo anders hin auslagern.

Am Montag beginnt an allen bayerischen Universitäten das Wintersemester und die WiSo begrüßt ihre neuen Studenten genau in dem Hörsaal, in dem es durch die Decke tropft. Regen sammelt sich auf dem Flachdach. Die Pumpe, die es abtransportieren soll, ist kaputt. Mehr als 800 Leute passen in den Hörsaal. Ab kommender Woche finden hier deshalb auch die Einführungsvorlesungen in Mathe, Recht und Statistik statt.

"Vor einem Jahr haben sie am Tag der Erstsemesterbegrüßung morgens um sieben Uhr noch schnell die letzten Brandschutztüren eingesetzt", erzählt die Mitarbeiterin. "Das ist doch peinlich." Wenn die Handwerker bohren, wackelt ihr Schreibtisch. Manchmal ist es so laut, dass sie Anrufer am Telefon nicht versteht und später zurückrufen muss. Seit zehn Jahren arbeitet sie an der WiSo und will hier auch bleiben – deshalb will sie ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen.

Die Stimmung kippt

Die Fronten sind inzwischen recht verhärtet. Die Mitarbeiter sind genervt von andauerndem Lärm, Dreck und Absperrungen. Die Bauleute verschiedener Firmen stört, wenn sie während ihrer Arbeit gefilmt und fotografiert werden, weil Angestellte die Zustände dokumentieren wollen. Immer wieder bekommt die Universitätsleitung E-Mails mit Fotos und Beschwerden.

"Die gesamte Baumaßnahme wird im Spätsommer abgeschlossen sein", hat Uni-Kanzler, Christian Zens im März versprochen. Jetzt ist Oktober. Äußern will er sich dazu aktuell nicht. Es liefen derzeit zahlreiche Gespräche parallel, teilt die Uni auf Anfrage mit. Man arbeite mit Hochdruck daran, das Leck in der Decke noch vor der Erstsemesterbegrüßung am Montag zu stopfen. Außerdem solle zeitnah eine zufriedenstellende Informationslage für alle Beteiligten geschaffen werden. Noch in diesem Jahr werde es dafür unter anderem eine weitere Mitarbeiterversammlung geben.

"Ich verstehe, dass Baustellen Lärm und Dreck machen und meistens länger dauern als man denkt, damit kommen wir klar", sagt ein leitender Mitarbeiter an der WiSo. "Aber mich stört, wie mit uns umgegangen wird."

Viele Kollegen sorgen sich immer noch wegen der giftigen Asbest-Fasern in den Wänden. "Und in der letzten Versammlung hieß es dann ,das erwischt nur einen von 40‘ – das ist wenig beruhigend."

An den Wänden im dritten Stock kleben Schilder mit der Aufschrift "Achtung enthält Asbest". Es gibt Luftschleusen und Gefahrgutbehälter. Ein paar Büros sind ausgelagert, andere nicht. Studenten sitzen auch in den Semesterferien am Ende des Gangs an einer Sitzgruppe zum Lernen zusammen. "Die Uni sagt, das sei alles unbedenklich", erklärt der Mitarbeiter. Aber ein mulmiges Gefühl bleibt. Vergangene Woche hat ein Gutachter in einem Treppenhaus und einem Flur 24-stündige Langzeitmessungen durchgeführt, die Ergebnisse liegen noch nicht vor.

Mehr Information erwünscht

"Wir befürchten, dass der schlechte Zustand unseres Gebäudes künftige Studenten davon abhält, bei uns zu studieren", sagt der Mitarbeiter. Er und seine Kollegen wünschen sich vor allem, dass die Bauarbeiten bald vollständig abgeschlossen sind. "Aber bis dahin würden wir uns über eine solidere Informationspolitik und einen respektvolleren Umgang freuen." Dafür sei lieber zu viel als zu wenig Schutz der Mitarbeiter nötig. "Die Universität und damit der Freistaat Bayern hat die Verantwortung für das Personal – aktuell fühlen wir uns im Stich gelassen."

Im Hörsaal H4, in den es hineinregnet, wird die Universität am Montag, dem 4. November, auch ihre jährliche Geburtstagsfeier ausrichten. Weil die WiSo in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, hat die Uni die Feier von Erlangen nach Nürnberg verlegt. Es wird Festvorträge geben, einen Science Slam und einen anschließenden Empfang im Foyer. Auch Ministerpräsident Markus Söder hat sich angekündigt. Er sitzt bei solchen Anlässen in der ersten Reihe. Vielleicht steht der schwarze Bottich dann noch immer neben ihm.

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