Orkan Sabine: So ist die Lage am Nürnberger Hauptbahnhof

Dominik Mayer

Redakteur

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10.2.2020, 09:49 Uhr
Geduld und starke Nerven waren am Sonntagabend am Nürnberger Hauptbahnhof gefragt. Die Schlange vor dem Service-Schalter wurde stetig länger.

© Dominik Mayer Geduld und starke Nerven waren am Sonntagabend am Nürnberger Hauptbahnhof gefragt. Die Schlange vor dem Service-Schalter wurde stetig länger.

Am Informationsschalter der Deutschen Bahn am Nürnberger Hauptbahnhof herrscht am Montagmorgen Hochbetrieb. Zusätzliche Mitarbeiter stehen an den Schaltern bereit, um Fahrgäste zu beraten. Nur: Viel zu sagen gibt es nicht. Man gehe aktuell davon aus, dass sowohl Fern- als auch Regionalverkehr bis mindestens 11 still stehen werden, so eine Mitarbeiterin. Die meisten Fahrgäste reagierten verständnisvoll.

Ein sogenannter Aufenthaltszug der Bahn steht auf Gleis sieben - und erstreckt sich über die komplette Länge des Gleises. Seit Sonntagabend um 8 Uhr stehe er hier, erklärt eine Mitarbeiterin. Trotzdem sind die Abteile nur sehr spärlich gefüllt, ein paar einzelne Plätze sind besetzt, einige Fahrgäste sitzen hier und warten oder schlafen. Im Bahnhof seien Mitarbeiter unterwegs, die die Gestrandeten auf das Angebot aufmerksam machen, so die Bahn-Mitarbeiterin weiter. Der Zug werde bis auf weiteres vor Ort bleiben, um den Reisenden einen warmen Ort zum Warten zu geben.



Ausnahmezustand bereits am Sonntag

Die Lage am Sonntagabend: Martin Neusiedl steht geduldig in der langen Schlange, die sich schon gegen 19.30 Uhr in der Mittelhalle des Nürnberger Hauptbahnhofs gebildet hat. Hier, vor dem Service-Schalter der Deutschen Bahn, warten knapp hundert Menschen auf Informationen. Fährt mein Zug? Zahlt mir die Bahn ein Taxi? Muss ich vielleicht sogar in Nürnberg übernachten? Letzteres will Neusiedl vermeiden. "Vielleicht komme ich noch zurück nach Augsburg", hofft er. Dort war er bei Freunden zu Besuch - jetzt will er zurück nach Berlin. Doch der Fernverkehr ist bundesweit eingestellt, nichts geht mehr. Orkan "Sabine" hat den 34-Jährigen kalt erwischt. Dabei hat er schon mit Problemen gerechnet: "Ich hatte eigentlich erst für Montag reserviert, habe dann aber auf Sonntag umgebucht weil ich dachte, da komme ich noch durch."

Doch daraus wird nichts. Sämtliche ICEs, die den Abend über Richtung Hauptstadt abgefahren wären, bleiben am Sonntagabend im Depot. Immerhin zurück nach Augsburg könnte es noch gehen - der Regionalverkehr wird in Bayern vorerst weiter bedient. In der Schlange stehen auffallend viele Männer in Uniform. Soldaten, die übers Wochenende nach Hause gefahren sind und die am Montag zurück in ihren Kasernen erwartet werden. Einer von ihnen hat Glück, er schafft es in eines der Sammeltaxis, die die Bahn organisiert. Links neben dem Schalter sollen sich alle versammeln, die Richtung Berlin wollen. Auf sie wartet eine lange Taxifahrt durch die stürmische Nacht.

"Erst hieß es, dass mein Zug noch fährt"

Regina Renner hofft am Sonntagabend auf ein Taxi. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Verkehr schon so früh komplett eingestellt wird", sagt sie. Die Informationspolitik der Bahn sei unzureichend, kritisiert sie. "Bis vor einer halben Stunde hieß es noch, dass mein Zug fährt". Nun wartet sie mit ihrem Rucksack vor dem Info-Schalter - in der Hoffnung dann doch noch nach Stuttgart zu kommen, irgendwie.

Mehrere Bahn-Mitarbeiter sind am Sonntagabend damit beschäftigt, Reisende zu beraten, zu beschwichtigen, ihnen Alternativen anzubieten. Es warten arbeitsreiche Stunden auf die Beschäftigten, die Schlange in der Haupthalle des Bahnhofs wird stetig länger. Ganz hinten hat sich Florian Brundert eingereiht. Der 19-Jährige ist eigentlich in einer ziemlich verzwickten Situation, gute Laune hat er trotzdem.

700 Kilometer durch die Nacht

Florian Brundert muss noch nach Kiel, will sich von "Sabine" aber nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Florian Brundert muss noch nach Kiel, will sich von "Sabine" aber nicht aus der Ruhe bringen lassen. © Dominik Mayer

Brundert muss nach Kiel. Dort, an der Christian-Albrechts-Universität, studiert er im ersten Semester Medizin. Seine Dozenten erwarten ihn am Montagmorgen zum Pflichtpraktikum - Fehltage sind da nicht erlaubt. "Vielleicht nehme ich mir einen Mietwagen", sagt er. Über 700 Kilometer sind es bis in die Stadt an der Ostseeküste. "Ich war bei einer Freundin in Bayreuth zu Besuch und habe eigentlich nicht gedacht, dass der komplette Fernverkehr ausfällt."

Er hat sich auch schon überlegt zu fliegen, "aber das ist teuer und viele Flüge sind ja auch gestrichen". Trotzdem: Er ist wild entschlossen, es in der Nacht irgendwie nach Kiel zu schaffen. Alles andere als leicht wird das, so viel steht fest. Doch dem angehenden Mediziner, der trotz allem unentwegt lächelt, ist dieses Kunststück zuzutrauen. Vielleicht halten die Frauen und Männer am Service-Schalter ja auch für ihn eine Lösung bereit.

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