Baustoffe sind Mangelware: "Holz wird wie Gold gehandelt"

Paul Götz

Roth

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20.4.2021, 11:00 Uhr
Alle Gewerke einer Baustelle haben mit Nachschub-Problemen zu kämpfen. Und wenn dann doch genug Material da ist, kann man Wetten auf Preiserhöhungen abschließen.

© Tobias Tschapka, NN Alle Gewerke einer Baustelle haben mit Nachschub-Problemen zu kämpfen. Und wenn dann doch genug Material da ist, kann man Wetten auf Preiserhöhungen abschließen.

„Fragen Sie mich lieber, wo es nicht drückt, das wird kürzer.“ Christian Schönsee, Leiter des Baustoffhandels der Hans Humpenöder GmbH in Schwabach und Roth, kann die ganzen Gewerke vom Keller bis zum Dach durchdeklinieren, wenn er auf Lieferengpässe in seiner Branche angesprochen wird: „Es ist tatsächlich sehr schlimm. Ich habe Mitarbeiter, die seit 40 Jahren im Geschäft sind, die haben so etwas noch nicht erlebt.“

Um über den Keller in die Problematik einzusteigen. „Das fängt mit der Bodenplatte an. Styropor für die Wärmedämmung gibt es nicht“, fängt Christian Schönsee an aufzuzählen, „und geht hoch bis zur Aufspanndämmung im Dach. Zaunmatten, Gipskartonplatten für den Innenausbau, Ständerwandprofile, Garagentore und Holz, da findet ein regelrechter Kampf auf dem Markt statt.“


Zu wenig Recycling am Bau: Wertvoller Rohstoff wird verschwendet


Generell gesehen geht es erst einmal um zwei Materialien. „Die Amis kaufen uns das ganze Holz weg“, bekommt Schönsee immer wieder zu hören. Nach den Wetterkapriolen im Winter und durch den Ärger mit Kanada ist die Nachfrage in den USA so gestiegen, dass das Verschiffen aus Europa billiger sei, als sich auf dem eigenen Kontinent umzutun. „Die Chinesen kaufen den Stahl weg“, ist der zweite Hauptsatz der Branche. Damit nicht genug. Es heißt auch, dass die Chinesen Containerschiffe blockieren, die Rohstoffe und Produkte liefern sollen, also gibt es auch keine Kunststoffröhren oder zumindest das Material für die Eigenproduktion. „Kriegerische Angriffe auf Ölfelder“ werden auch gerne als Ursachen für den Mangel zitiert, wo auch immer die gerade stattfinden mögen.

Verpackung ist aus

Wie auch immer, die Lieferausfälle schlagen sich bis in die Details durch. Zum Beispiel bei Verpackungen – aus Plastik oder Metall ist egal. „Es fehlt an Kunststofffolien und Kartonagen“, führt Christian Schönsee seine Aufzählung weiter, „wir kriegen keine Farben mehr, weil es keine Eimer gibt.“

Seit Wochen kämpfen die Unternehmen mit Bestellannahmestopps ihrer Lieferanten. „Bestellungen können wir schon losschicken“, beschreibt der Leiter des Baustoffhandels die Situation, „die werden aber einfach nicht bearbeitet.“ Dafür erlebt er jeden Tag Preiserhöhungen. Die sind inzwischen bei 40 bis 50 Prozent angesiedelt. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) liefert dazu folgende Zahlen, die nicht mehr unbedingt aktuell sind: Holz ist seit September um 15 bis 20 Prozent teurer geworden, Mineralölerzeugnisse um 15 Prozent und Betonstahl sogar um 30 Prozent. Der Bundesverband Farbe berichtet von Preiserhöhungen um rund 50 Prozent – bei Wärmedämmung, teilweise auch bei Trockenbauprofilen. In Letzteren ist Stahl drin.

Bei der Humpenöder GmbH reagiert man auf den Notstand ähnlich wie die Lieferanten: Man konzentriert sich auf die Stammkunden und nimmt mit, was auf dem Markt ist. „Wir bestellen nicht mehr nach Bedarf, sondern was geht“, erläutert Christian Schönsee. Die Anfragen anderer Firmen müsse man abblitzen lassen. „Die rufen mittlerweile sogar aus Coburg an“, schildert er das Tagesgeschäft, „die müssen wir ablehnen.“ Blockiert seien übrigens auch die Installateure jeder Couleur. Den Elektriker trifft‘s ebenso wie den Spengler, der Sanitärbetrieb muss schauen, wo er Kupplungen für die Wasserleitung herbekommt.

„Ein jeder hofft, dass es zur Jahresmitte besser wird“, fasst Schönsee das Hintergrundgeräusch der Branche zusammen. Absehbar sei ein Ende des Notstandes aber noch nicht, schon gar nicht mit einem Blick in seinen E-Mail-Eingang: Die Meldungen bestehen zum großen Teil aus Absagen und Preiserhöhungen.

Saison startet mit Katastrophe

Für den Holz- und Gartenfachmarkt Erichmühle in Wendelstein hat die Saison eigentlich erst begonnen und schon steckt er „im Großen und Ganzen in einer Katastrophe“. „Wir kriegen kein Holz, egal was wir zahlen“, konstatiert Joachim Rathnow, der für den Einkauf zuständig ist, „das Holz wird wie Gold gehandelt.“ Was allerdings das Edelmetall momentan nicht schafft: „Wir haben Preiserhöhungen pro Woche von zehn Prozent.“

Unterschreiben kann Rathnow die Erfahrungen seines Kollegen Schönsee vom Baustoffhandel: „Es mangelt durchgehend an allem. Schon vor vier Wochen hat uns unser Lieferant für Sichtschutz mitgeteilt, dass er keine Aufträge mehr annimmt.“ Ein mittlerweile weitverbreitetes Verhalten. Und da man nun einmal guten Kontakt pflege, komme dann schon einmal die Gegenfrage, „ob wir Schrauben besorgen können“.

Den Holzmarkt kaufen nicht nur die Amerikaner leer, die, so Rathnow, „schnell mal das Doppelte zahlen“. „Wenn die Chinesen einen Holzhaufen im Wald sehen“, habe ihm ein Händler erzählt, „holen die den Geldbeutel raus und kaufen alles weg.“ Ein wenig kommunizierter Anlass dafür sei, dass China in eine Verlegenheitslücke der sibirischen Holzindustrie gestoßen ist, in der während eines besonders strengen Winters die Maschinen nicht funktionierten – und nach dem Tauwetter die Böden für das schwere Gerät zu matschig wurden.

Qualität nur für Spanplatten

Doch warum in die Ferne schweifen, das Problem liegt auch vor der Haustür? Die Stürme des Jahres 2019 haben in Deutschland außergewöhnlich viel Bäume geworfen. Dann kamen die Dürre und der Borkenkäfer und erhöhten den Holzberg, sodass die heimische Waldwirtschaft sich jetzt mit dem Einschlag zurückhält. Ein Unternehmen, das ästhetische Holzprodukte rund um Haus und Garten verkauft, kann mit den gesplitterten Stämmen nichts anfangen, die taugen als Rohstoff für Spanplatten. Da bleibt nichts anderes übrig, als die Preisaufschläge auf dem umkämpften Markt anzunehmen, wenn man denn überhaupt eine Lieferung bekommt.

Die Kunden, so Rathnow, seien informiert genug, dass sie die Teuerung akzeptieren. Sie sind auch selbst Teil der Preisspirale, denn durch Kurzarbeit und Homeoffice in der Corona-Pandemie haben sich viele die Zeit genommen, am Eigenheim zu werkeln und den Garten aufzumöbeln. Das hat die Nachfrage angeheizt.

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