Haberfeldtreiben gegen ICE-Werk
"Do falln die Brunna truckn": Wehrhafte Harrlacher prangern die Bahn an
12.11.2021, 11:04 UhrProjektleiter Carsten Burmeister und seine Mitarbeiterin wurden zum Abschluss am Abend mit einem solchen Haberfeldtreiben verabschiedet. Der oberbayrische Brauch aus dem 18. Jahrhundert war eine Möglichkeit für die Landbevölkerung, der Obrigkeit die Meinung zu sagen. Die Haberfeldtreiber versammelten sich in der Dunkelheit, waren schwarz gekleidet oder als Perchten maskiert, mit Fackeln, Kuhglocken und Mistgabeln bewaffnet, und machten mit einem gereimten oder gesungenen Gedicht und viel Krawall ihrem Ärger Luft.
So auch jetzt in Harrlach. Die Mitglieder der Bürgerinitiative gegen das geplante ICE-Instandsetzungswerk hatten sich in Stellung gebracht, als die Bürgersprechstunde zu Ende gehen sollte. Zur Überraschung aller, der etwa 60 Anwesenden verließen Burmeister und dessen Mitarbeiterin jedoch schon deutlich früher das Feuerwehrhaus, mit der Begründung, es sei kein Termin mehr gebucht gewesen, obwohl der Bürgerinitiative zufolge „nachweislich noch ein Dialoggespräch ausstand“.
„Wir stell`n uns quer“
Da man den Vertreter der Bahn aber nicht an der Weiterreise nach Feucht hindern wollte, wo im Anschluss die nächste Sprechstunde geplant war, ließ man ihn ziehen – jedoch unter lautem, gereimtem Protest und mit viel „Gwerch“, wie es im fränkischen Liedtext heißt. „Wir san die Harrlacher Haberfeldtreiber, wir stelln uns quer, wir machen immer weiter. Wir san do bei der Nacht, wir san do am Dooch, des merktster, Deutsche Bahn, wir loun net noch!“
Das 18-strophige Gedicht, das die Mitglieder der Initiative verfasst hatten, zielt humorvoll, in fränkischer Mundart und mit deutlich erhobenem Zeigefinger auf Ungereimtheiten in der Standortfrage des Werks ab, wie zum Beispiel Bannwaldrodung, Lärm, Rentabilität, Umweltschutz oder politische Einflussnahme.
Im Lied der Haberfeldtreiber kommen zum Beispiel diese Spruchverse vor: „Vom ICE waschns jede Muckn; Bei uns do falln die Brunna truckn.“ Darauf folgt das „Gwerch“ der Harrlacher mit lautem Trampeln, Stampfen und Trommeln oder Läuten. Weiter geht es: „Zehntausend Kloschüsseln, sauber wäi gmolt; Frag amal wer des Abwasser zohlt?“
Und nach neuerlichem „Gwerch“: „Hundert Fragen stellst der Bahn; als Antwort kommt bloß: Raumordnungsverfahrn. (...) Da fällt der Bannwald, Hieb für Hieb; so grün ist der Staatsbetrieb.“ Auch das nahe Allersberg mit der strittigen Gemengelage aus ICE-Werk und Amazon-Ansiedlung bekommt sein Fett weg: „Und, Herr Horndasch, des ganze Gwerch; des hersd fei a in Allersberg.“
Die BI Harrlach kämpft darum, dass es kein ICE-Instandhaltungswerk im Harrlacher Forst gibt, denn dafür müsste ein großer Teil des Waldes, Bestandteil des Nürnberger Reichswaldes und geschützter Bannwald, gerodet werden.