Treuchtlingen: Stadtkrankenhaus wird abgerissen

Benjamin Huck

Treuchtlinger Kurier

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30.5.2020, 05:53 Uhr
Treuchtlingen: Stadtkrankenhaus wird abgerissen

© Grafik: Bezirksklinikum Mittelfranken

Die Sitzung war trotz Corona gut besucht und ist auch mit ordentlichem Abstand zwischen den Gästen abgelaufen. Wie sich allerdings herausgestellt hat, war ein Großteil der Zuhörer nicht unbedingt wegen des Krankenhauses, sondern wegen der Bauplatzsituation in Gundelsheim gekommen. Dennoch stelle Keilen, begleitet von einem guten Dutzend Mitarbeitern der Klinik und dem Architekturbüro, ausführlich dar, warum das Krankenhausgebäude, dessen ältester Teil Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde, nicht mehr erhalten werden kann.

Die Bausubstanz

So sieht das ehemalige Stadtkrankenhaus von oben aus. Es besteht eigentlich aus drei Teilen, die im Laufe der Jahre zusammengewachsen sind. 

So sieht das ehemalige Stadtkrankenhaus von oben aus. Es besteht eigentlich aus drei Teilen, die im Laufe der Jahre zusammengewachsen sind.  © Rudi Beringer/Limes-Luftbild

"Allein die Ertüchtigung des Brandschutzes würde 10 Millionen Euro kosten", rechnet der Vorstand vor. Dazu müssten Leitungen neu gebaut werden, außerdem ist das Gebäude nicht gut gedämmt und verbraucht zu viel Energie. Außerdem würde der Freistaat Bayern als Geldgeber sich scheuen, in ein altes Gebäude zu investieren, da nicht bekannt sei, welche Überraschungen noch zum Vorschein kämen. "Auch aus Nachhaltigkeitsgründen spricht alles für einen Neubau, und es muss die Qualität für die Patienten sichergestellt werden."

Hinzu kommt, dass im aktuellen Gebäude viele Dinge vorhanden sind, die eine psychosomatische Fachklinik nicht benötigt, wie etwa ein OP- und Röntgenbereich sowie die dazugehörigen Versorgungsleitungen. Außerdem würden das Hygienekonzept nicht mehr passen.

Der Neubau

Dabei wollen die Bezirkskliniken, ähnlich wie bei einer unlängst fertiggestellten psychiatrischen Fachklinik in Fürth, möglichst auf regionale Materialien setzen, etwa auf eine Holzfassade. Im inneren sollen sich dann die "Hausfarben" rot und weiß – für Franken – sowie grün wiederfinden. Wenigstens zwei Andenken an das aktuelle Gebäude sollen erhalten bleiben: Das alte Eingangsportal aus Holz sowie das mannshohe Kreuz aus dem Andachtsraum. Diese Elemente wollen die Architekten in das neue Gebäude integrieren. Dieses soll einen Keller, ein Erdgeschoss und drei Obergeschosse umfassen und damit sogar drei Meter niedriger werden (16,10 Meter) als das bestehende Stadtkrankenhaus.

Bei den Bürgern in der Sitzung bleibt die Kritik fast aus. Nur ein Besucher möchte sich öffentlich nicht mit dem Neubau abfinden, ein anderer fürchtet um den Baumbestand und regt an, das Uhrentürmchen noch zu erhalten. "Es sollen so viele Bäume wie möglich stehen bleiben", sagt Keilen zu dem Einwand. Und das Türmchen könnte vielleicht an einer anderen Stelle in der Stadt einen neuen Platz finden. Erhalten bleiben soll auch der öffentliche Weg durch das Gelände, dort könne sich Keilen Informationsstelen über die Geschichte des Hauses vorstellen.

Das Konzept

"Kommt jetzt ein Zaun um die Klinik und kann man sich abends nicht mehr in die Stadt trauen, weil dort gefährliche Menschen herumlaufen?" Provokant stellt Keilen diese Frage, um mit einem Missverständnis aufzuräumen. Treuchtlingen bekommt keine forensische Psychiatrie, also eine Einrichtung, in der aufgrund ihres Geisteszustands schuldunfähige Straftäter untergebracht werden. In Treuchtlingen soll eine Psychosomatische Fachklinik entstehen, in der Menschen von Beschwerden geheilt werden, die durch psychische Belastung entstehen und sich auf den Körper niederschlagen.

"Früher sind die Menschen körperlich erkrankt, etwa durch die anstrengende Arbeit im Bergwerk", erläutert Klinikvorstand Keilen, der aus dem Rheinland stammt. Doch die Arbeitsbedingungen hätten sich geändert, ebenso wie die Krankheitsbilder. Burnout nennt er als Beispiel, oder Rückenschmerzen, deren Ursache beruflicher Stress ist. "Wenn man morgens nicht mehr aus dem Bett kommt, dann ist es vielleicht nicht mehr die Frühjahrsmüdigkeit oder das Glas Wein am Vorabend", sagt Keilen zur Verdeutlichung, dass solche psychosomatischen Erkrankungen jeden treffen könnten.

Die Einrichtung

Die Zimmer sollen Platz für 140 Betten bieten, gut doppelt so viele als zuletzt im Stadtkrankenhaus. Wohnen werden die Patienten auf der Westseite des Hauses mit Blick auf die Landschaft und die Burg ausgerichtet, auch, um sie von den Geräuschen der Bahnlinie und der Staatsstraße abzuschotten. Anders als in einem Krankenhaus für körperliche (also somatische) Verletzungen, wo die durchschnittliche Verweildauer bei 7,5 Tagen liegt, könnten die Patienten in Treuchtlingen bis zu 23 Tage bleiben – das sei der Durchschnitt in psychiatrischen Einrichtungen.

"Die Menschen sollen sich eher wie in einem Hotel fühlen, und nicht wie in einem Krankenhaus", sagt Keilen. 80 Prozent der psychosomatischen Fachkliniken der Bundesrepublik seien in Bayern und Baden-Württemberg, weil die Menschen dort auch vorbeikommen, um die Landschaft zu genießen. In Nordbayern gebe es noch keine derartige Einrichtung, weshalb Treuchtlingen gut gelegen sei.

Die Treuchtlinger

Die Bürger sollen weiterhin vom Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) des Klinikums Altmühlfranken profitieren, das nach dem Wunsch der Bezirkskliniken "idealerweise" auf dem Gelände bestehen bleiben soll. Ein Bürger, der erläutert, dass er selbst schon einmal in einer psychosomatischen Einrichtung war, beklagt die fehlende Nachsorge, da es kaum niedergelassene Psychotherapeuten gebe. Klinikvorstand Keilen stelle in Aussicht, dass für die Einheimischen auch eine Behandlung in Frage kommt, bei der sie zu Hause wohnen und trotzdem die Angebote der Klinik in Anspruch nehmen können. Im Haus soll es auch keine Konkurrenz zu anderen Angeboten geben, die in Treuchtlingen schon vorhanden sind, wie etwa das Thermalbad. Dieses könne in die Therapie miteinbezogen werden.

Im medizinischen Bereich sollen in Treuchtlingen 70 Arbeitsplätze entstehen, dazu kommen noch Mitarbeiter für die Reinigung und Hauswirtschaft. Die Versorgung der Patienten findet über eine hauseigene Küche statt.

Der Zeitplan

Ein grober Entwurf des Gebäudes steht schon, eine Visualisierung gibt es noch nicht. Im Winter 2020/21 soll der Abbruch starten, falls die aktuelle Corona-Pandemie keine weiteren Hürden in den Weg stellt. Nächstes Jahr sollen die Bauarbeiten dann starten, fertig soll das ganze Gebäude 2025 sein. Ob das Haus an das bestehende Biomasseheizwerk in der Hahnenkammstraße angeschlossen werden kann, ist ungewiss. "Wir als öffentliche Einrichtung müssen auch den Bezug von Energie ausschreiben, manchmal sogar europaweit", erläutert Keilen auf Nachfrage der Stadträte.

Die würden es – ebenso wie die Bürger – auch gerne sehen, wenn heimische Unternehmen beim Bau zum Zuge kommen. Doch auch hier seien die Bezirkskliniken an die Regelungen für öffentliche Ausschreibungen gebunden, so Keilen. Dennoch sollen dort auch Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden.

Die weiteren Fragen: Die Bezirkskliniken veröffentlichen auf ihrer Internetseite die Antworten auf die Fragen der Bürger, die Liste soll laufend aktualisiert werden. Die Informationen sind abrufbar unter www.bezirkskliniken-mfr.de/neubau-treuchtlingen, dort können auch weitere Fragen per E-Mail gestellt werden.

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