Übertourismus? Urlaub in der Heimat hat hässliche Seiten

Lorenz Bomhard

Ressortleiter Metropolregion Nürnberg und Bayern

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9.8.2020, 14:28 Uhr
Übertourismus? Urlaub in der Heimat hat hässliche Seiten

© Jan Stephan

Es ist ein Trend, den sich mancher aus ökologischen Gründen längst gewünscht hatte: Der Urlaubsflieger hebt nicht ab, Millionen Liter Treibstoff, die sonst von Pkw- und Flugzeugmotoren verbrannt worden wären, bleiben ungenutzt. Maut- und stressfrei erreichen die Familien nach kurzer Fahrtzeit ihr Ziel. Rimini am Rothsee, Ballermann am Birkensee, und an die Maximiliansgrotte haben sich auch ein paar Dutzend Urlauber aus Niedersachsen und Hamburg verirrt.


Klein-Rimini in Franken: Wieder volle Strände im Seenland


Haben wir uns das nicht immer gewünscht, die wir neidisch auf die oberbayerischen Tourismuszahlen blicken? Fränkisches und Oberpfälzer Seenland, der Steigerwald, die Fränkische Schweiz, das Altmühltal, die Windsheimer Bucht mit den Weinbergen, das Fichtelgebirge, ja auch die Rhön – gegen Garmisch oder den Starnberger See sahen diese zarten Pflänzchen des Tourismus trotz aller Bemühungen immer etwas dürr aus. Naherholung findet dort statt, seit es Eisenbahnen gibt. Aber sind diese Gegenden auch für den Jahresurlaub geeignet? Sind sie mehr als ein Geheimtipp?

Einmalige Chance

Ganz klar, auch die aufstrebenden Tourismuszentren in Nordbayern bekommen in Corona-Zeiten eine einmalige Chance.

Was sich aber gerade an Seen und in den Bergen abspielt, ist ein extremer Belastungstest. Das kuschelige Image lässt sich angesichts des Massenansturms nicht mehr bewahren. "Dem heimischen Tourismus die Treue halten!", fordert Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger angesichts der starken Umsatzeinbrüche von Gaststätten und Hotels im ersten Halbjahr. Und auch Ministerpräsident Markus Söder fordert vehement dazu auf, Urlaub im Freistaat zu machen.

Anstand geht anders

Dabei ist längst klar, dass alte und neue Tourismusziele im Freistaat dem Ansturm nicht mehr gewachsen sind. Die Müllberge auf Parkplätzen und Wanderwegen, rücksichtslose geparkte Autos – die Anspruchshaltung mancher Urlauber lässt Rückschlüsse zu, wie sich diese Menschen bei ihrem Urlaub im Ausland benehmen. Anstand geht anders. Die Beschlagnahme schöner Strandplätze und Sonnenliegen per Handtuch ist da noch die harmlose Variante. Wer neben einem ausgetrockneten Wald auf der Wiese eines Bauern seine Würstchen grillt, handelt nicht nur fahrlässig, er schädigt auch den Landwirt.

Die Sommerferien in Bayern dauern noch vier Wochen. Die Zeit muss genutzt werden, um den Massenansturm auf ein vernünftiges Maß einzudämmen. Sonst leidet das Image der Urlaubsregionen nachhaltig. Das geht leider nur mit Verbotsschildern und notfalls auch mit Polizei. Aber lieber jetzt bremsen als nächstes Jahr jammern. Einen Trost gibt es auch: Abseits von Seen und überlaufenen Wanderwegen gibt es unendlich viele, einsame Ziele zu entdecken, gerade in Nordbayern.

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